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Europawahl 2024

Wahlprüfsteine: So positionieren sich die Parteien zu den Themen der dbb jugend

Weniger Jugendarbeitslosigkeit, ein attraktiver öffentlicher Dienst – was die Ziele betrifft, sind sich die Parteien oft einig. Bei der Umsetzung hingegen offenbaren sich Unterschiede.

Wahlprüfsteine dienen der politischen Orientierung. Vor der Europawahl hat die dbb jugend alle im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien gebeten, zu gewerkschaftlichen Themen Stellung zu beziehen.

Thema 1: Senkung der Jugendarbeitslosigkeit

Wie beurteilen Sie die Maßnahmen „Stärkung der Jugendgarantie“ sowie „Schaffung einer Europäischen Jugendarbeitsagentur“ zur Beratung, Vermittlung und Weiterbildung junger Menschen und Senkung der Arbeitslosigkeit in der EU?

CDU/CSU

Wir stehen zur EU-Jugendgarantie. Junge Menschen sollen innerhalb von vier Monaten nach Schulabschluss oder nachdem sie arbeitslos geworden sind, ein Angebot für einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, eine Weiterbildungsmöglichkeit oder ein Praktikum erhalten.

Wir sind stolz darauf, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei uns in Deutschland seit vielen Jahren kein großes Problem mehr ist. Das zeigt, wie wichtig eine starke Wirtschaft und ein starker Arbeitsmarkt für junge Menschen und für gute Löhne sind. Deutschland soll auch helfen, die Jugendarbeitslosigkeit in anderen Teilen der EU zu bekämpfen. Deshalb setzen wir uns für mehr Bildungs- und Ausbildungsmobilität und die einfachere Anerkennung von Abschlüssen ein.

SPD

Gute (Aus-)Bildung darf nicht von der Herkunft, dem Geschlecht, einer Behinderung oder dem Geldbeutel und der sozialen Lage der Eltern abhängen. Um den Übergang in die Berufswelt zu erleichtern, fordern wir neben einem Qualitätsrahmen für Praktika eine angemessene Finanzierung der Jugendgarantie. Diese muss durch europäische Fördertöpfe getragen werden. Nach der Integration der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen in den Europäischen Sozialfonds Plus muss auch weiterhin sichergestellt werden, dass alle Mitgliedstaaten einen angemessenen Betrag ihrer ESF+-Mittel in gezielte Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigung und der Aus- und Weiterbildung investieren. Auch Beratungs- und Vermittlungsstrukturen wie EURES sollten hier ausgebaut werden und bestimmte Schwerpunktfelder wie die Jugendarbeitslosigkeit bearbeiten.

Bündnis 90/Die Grünen

Besonders in Krisenzeiten braucht es für junge Erwachsene Stabilität, Perspektiven und ein soziales Sicherungssystem, das sie im Notfall auffängt. Deshalb war im Zuge der Pandemie die Stärkung der Jugendgarantie zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit ein wichtiger Schritt. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Weiterentwicklung der Standards der Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote ein. Mit guter Beratung und Qualifizierung bekommt jede*r junge Erwachsene in Europa die Chance, einen Beruf zu erlernen.

FDP

In Deutschland gibt es bereits Jugendberufsagenturen, die als spezielle Anlaufstellen jungen Menschen bei allen Fragen und Problemen rund um den Berufsstart unterstützen. Statt eine europäische Jugendarbeitsagentur zu schaffen, wollen wir Freie Demokraten die European Employment Services zu einer europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Diese soll sowohl europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln als auch eine echte Koordinationsrolle für die nationalen Arbeitsagenturen in der EU übernehmen, die es braucht, um Jugendarbeitslosigkeit einerseits und Fachkräftemangel in Europa andererseits zu bekämpfen.

Die Linke

Die Jugendgarantie ist grundsätzlich sinnvoll, sie muss allerdings ausreichend finanziert werden, um Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu beseitigen. Anerkannte Einrichtungen wie die ILO oder Eurofound veranschlagen den Bedarf auf mehr als das Doppelte: mindestens 50 Milliarden Euro. Die Jugendgarantie muss auch tatsächlich jungen Menschen zugutekommen, um beispielsweise überbetriebliche Aus- und Weiterbildungsverbünde zu fördern. Unternehmen missbrauchen teilweise die Unterstützungen aus der Jugendgarantie, um prekäre Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Das wollen wir verbieten. Sinnvoll ist die Anhebung des Alters, sodass junge Erwerbslose bis 29 unterstützt werden können. Wichtig ist, dass Gewerkschaftsjugend und Jugendverbände in die Entwicklung von Maßnahmen einbezogen werden. Ob eine eigene Agentur geschaffen wird oder es reicht, bestehende Formate wie EURES auszubauen, ist aus unserer Sicht nicht entscheidend. Es muss darum gehen, die Unterstützung für junge Menschen zu erhöhen. Mit einem Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors kann direkt Einfluss genommen werden auf die Unterstützung besonders benachteiligter Jugendlicher.

Thema 2: Akademisierung

Wie möchten Sie der fortschreitenden Akademisierung in der EU entgegenwirken?

CDU/CSU

Insbesondere in den deutschsprachigen Ländern ist die duale Berufsausbildung nach wie vor ein zentraler Qualifizierungsweg zur Deckung des Fachkräftebedarfs. Zudem ist es gerade in der Transformation wichtig, akademische und berufliche Bildung nicht gegeneinander auszuspielen. Stattdessen setzen wir auf ihre Gleichwertigkeit. Deshalb haben wir im Berufsbildungsmodernisierungsgesetz neue attraktive und international verständliche Fortbildungsstufenbezeichnungen „Berufsspezialist“, „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ eingeführt. Diese Zusatzbezeichnungen machen deutlich, dass die beruflichen Abschlüsse auf einer Ebene mit den akademischen Abschlüssen „Bachelor“ und „Master“ stehen. Wir brauchen beides: Master und Meister. In einigen unionsgeführten Bundesländern wurde darüber hinaus der Weg zur (nahezu) kostenfreien Meisterausbildung bereitet. Wir zeigen damit unsere Wertschätzung für die berufliche Ausbildung auch finanziell. Das ist das richtige Signal an junge Menschen. Denn der Handwerksmeister befindet sich in Bezug auf sein Qualifikationsniveau auf Augenhöhe mit akademischen Bachelorabsolventen. Zudem wollen CDU und CSU den Deutschen Qualifikationsrahmen als Transparenzinstrument rechtlich verankern. Qualifizierte Fachkräfte sind Dreh- und Angelpunkt für die Zukunftsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.

SPD

Ganz generell verlangt eine Wissens- und Informationsgesellschaft nach einem hohen Bildungsniveau, jedoch kommt es dabei auf ein Gleichgewicht zwischen Hochqualifizierten, Menschen mit sekundärem Berufsbildungsabschluss und anderen tertiären Abschlüssen an. Für uns Sozialdemokrat*innen steht im Vordergrund, den Wert der beruflichen Bildung zu stärken. Zum einen muss deutlicher werden, dass ein ähnlich hohes Qualifikationsniveau in der Berufsausbildung vermittelt werden kann wie im Bachelor-Studium. Zum anderen muss die Durchlässigkeit des Bildungssystems dahin gehend verbessert werden, dass der Berufsbildungsabschluss noch umfassender als Ausgangspunkt für spätere Weiterbildung und Qualifikationen, ggf. auch an Hochschulen, Anerkennung findet.

Bündnis 90/Die Grünen

Die duale Berufsausbildung, wie es sie in Deutschland gibt, ist ein Vorreitermodell in Europa und muss weiter gestärkt werden - auch, um dem Fachkräftemangel in typischen Ausbildungszweigen entgegenzuwirken. Der große Vorteil dieses Modells ist die Verbindung aus Theorie und Praxis, mit der junge Menschen besser aufs Berufsleben vorbereitet werden. Auf europäischer Ebene setzen wir uns dafür ein, dieses bewährte System bekannter zu machen. Außerdem fordern wir eine deutliche Erweiterung des Europäischen Berufsausweises. Dieser vereinfacht die Anerkennung der Qualifikation in einem reglementierten Beruf in anderen EU-Staaten und erhöht damit die Attraktivität von Berufsausbildungen.

FDP

Für uns Freie Demokraten sind die berufliche und akademische Ausbildung absolut gleichwertig. Wir brauchen Meister und Master. Daher wollen wir besonders in der beruflichen Bildung dafür werben, jungen Menschen europäische Perspektiven im Handwerk und den dualen Ausbildungsberufen aufzuzeigen und EU-Förderprogramme dafür nutzen, das duale Ausbildungssystem in Europa zu stärken. Wir wollen außerdem die European Employment Services zu einer europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Diese soll europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln und als Koordinationsstelle mit den nationalen Arbeitsagenturen Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Zudem streben wir an, die europäischen Berufsausbildungs- und Schulsysteme, dort wo es der Bildungsmobilität dient, stärker zu harmonisieren und Noten-Referenzrahmen zu schaffen. Daher wollen wir den Kopenhagen-Prozess zu Qualität und Anerkennung der beruflichen Bildung auf schulische Bildung ausweiten und zu einem Erfolg wie dem Bologna-Prozess machen.

Die Linke

Ausbildungsberufe sind attraktiv, wenn sie gute Entlohnung, gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Zukunftsperspektiven bieten. Dazu gehören auch Weiterqualifizierungsmöglichkeiten und ausreichende Ausbildungsentgelte. Das ist längst nicht in allen Berufen der Fall, auch nicht solchen, in denen Fachkräfte dringend gesucht werden. Die Linke setzt sich für gute Entgelte und gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten ein - in den Mitgliedsländern und durch europaweite Standards. Öffentliche Arbeitgeber sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Stärkeres Interesse für Ausbildungsberufe kann zudem mit gezielten flächendeckenden Beratungsangeboten geweckt werden, die auf die Situation junger Menschen angepasst sind. Die Jugendgarantie kann hier eine wichtige Rolle spielen, wenn sie der Aufgabe gerecht wird, junge Menschen in Praktika, Ausbildung oder in Arbeit zu vermitteln. Das Bildungsprogramm Erasmus+ sollte noch stärker auf Ausbildungsberufe ausgerichtet werden.

Thema 3: Interkulturelle Kompetenz und Vielfalt im öffentlichen Dienst

Wie planen Sie, interkulturelle Kompetenz und Vielfalt bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu fördern?

CDU/CSU

Wir bejahen Pluralismus und Vielfalt und treten für Gleichberechtigung ein. Allen Menschen faire und reale Chancen – vor allem auf Bildung, sichere und gute Arbeitsplätze und sozialen Aufstieg – zu eröffnen, ist ein zentrales Anliegen unserer Politik und unser Schlüssel zu einer gerechten Gesellschaft. Dabei gehen wir jedoch vom Individuum und nicht von Gruppenzugehörigkeiten aus. Das Versprechen unserer liberalen Demokratie auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit geht allerdings noch nicht für alle Menschen in Erfüllung, wenn sie aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, wegen ihres Glaubens oder ihres Alters, wegen einer Behinderung oder wegen anderer Merkmale benachteiligt werden. Wir treten dem entschieden entgegen und setzen auch im Bereich der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auf Chancengerechtigkeit und Schutz vor Benachteiligung.

SPD

Wir Sozialdemokrat*innen haben erfolgreich durchgesetzt, dass mit dem seit 2021 neu aufgelegten ERASMUS+ Programm auch im Bereich der Erwachsenenbildung Austauschmaßnahmen nicht wie bisher nur für Fachkräfte, sondern nun auch für Teilnehmende organisierbar sind. Inhaltlich können der Aufbau und die Verbesserung interkultureller Kompetenzen durch ERASMUS+ gefördert werden. Darüber hinaus wird mit dem Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ der Austausch zwischen den Bürger*innen verschiedener Mitgliedstaaten und Sensibilisierung für ihre gemeinsame europäische Geschichte gefördert. Wir setzen uns nicht nur für den Erhalt, sondern für eine bessere Mittelausstattung beider Programme ein.

Bündnis 90/Die Grünen

Interkulturelle Kompetenzen und Vielfalt bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist wichtig, um die Breite der Gesellschaft abzudecken und damit die Bedürfnisse aller Menschen repräsentieren. Zur Förderung von Vertrauen der Bürger*innen in öffentliche Institutionen und Entscheidungsträger*innen ist dies essenziell. Europäische Erfolgsprojekte wie Erasmus+ zeigen, wie hilfreich Austauschprogramme für den Erwerb interkultureller Kompetenzen sein können. Deshalb setzen wir uns für die Förderung und Weiterentwicklungen von Austauschprogrammen auch im öffentlichen Dienst wie beispielsweise dem Berufszweig der Polizist*innen ein. Diese sollen beispielsweise ebenso wie Studierende und Auszubildende die Chance bekommen, über Erasmus+ einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland zu verbringen.

FDP

Wir Freie Demokraten stehen für einen vielfältigen Öffentlichen Dienst, der die Lebensrealität der Menschen in Deutschland und Europa abbildet. Deshalb ist es wichtig, dass bei Einstellungen im Öffentlichen Dienst interkulturelle Kompetenz und Vielfalt der Beschäftigten ausreichend berücksichtigt werden. Insbesondere durch eine Flexibilisierung der Einstellungsvoraussetzungen wollen wir erreichen, dass mehr Menschen mit unterschiedlicher Berufsbiografie ihren Weg in den Öffentlichen Dienst finden. Flexibleres, digitales Arbeiten, der einfache Wechsel zwischen Dienstherren und in die freie Wirtschaft sowie ein flexiblerer Eintritt in den Ruhestand sollen den Öffentlichen Dienst attraktiver machen. Wir wollen zudem Englisch neben Deutsch als zusätzliche Verwaltungssprache in Behörden etablieren und sprechen uns dafür aus, dass alle EU-Mitgliedsstaaten Englisch als zweite Verwaltungssprache einführen. Damit erleichtern wir Verwaltungsvorgänge für die Menschen – beispielsweise bei Reisen, Arbeit, Ausbildung und Studium – sowie für international agierende Unternehmen und vereinfachen die Gründung neuer Unternehmen. Daher unterstützen wir es, wenn Verwaltungsmitarbeitende Englisch lernen und Verwaltungsstellen darauf achten, auf ausreichende Sprachkompetenzen zurückgreifen zu können. Zudem wollen wir insbesondere die Chancen, die Künstliche Intelligenz etwa beim Übersetzen von Formularen und Verwaltungsdokumenten bietet, nutzen.

Die Linke

Anonymisierte Bewerbungsverfahren und Quoten sind Mittel, um den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in der öffentlichen Verwaltung entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung zu erhöhen. Vielfalt bei den Beschäftigten erleichtert ein Bewusstsein für unterschiedliche Lebenssituationen und Bedürfnisse. Vertiefende Fortbildungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind zudem wichtiger Baustein, um interkulturelle Kompetenz zu fördern. Dazu gehört ausreichend Personal, um die Zeit für Fortbildungen, Beratung und Supervision zu ermöglichen. Mangel an Ressourcen führt oft dazu, dass Bedarfe, die mehr Zeit oder Aufmerksamkeit erfordern, leichter unter den Tisch fallen. Interkulturelle Kompetenz sollte auch schon in der Schule stärker gefördert werden, z.B., indem Sprachen wie Türkisch oder Arabisch als Wahlpflichtfächer angeboten werden. Partizipationsräte sollten bei wichtigen Entscheidungen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft einbezogen werden; migrantische Selbstorganisationen müssen Teil davon sein.

Thema 4: Bezahlte Praktika

Welche Rollen spielen für Sie (bezahlte) Praktika vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?

CDU/CSU

Deutschland verfügt über eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Mit Blick auf Demografie und Fachkräftemangel ist es wichtig, dass möglichst jeder junge Erwachsene eine Ausbildung absolviert, denn ein Beruf ist die beste Garantie gegen Arbeitslosigkeit.

CDU und CSU erachten Praktika als wichtige Brücke in Ausbildung und Beruf. Dazu müssen die Jugendlichen systematisch auf ihre Praktika vorbereitet werden. Auch muss individuell geprüft werden, ob Praktikant und Betrieb nicht nur berufsfachlich, sondern auch in sozialer Hinsicht zueinanderpassen. Instrumente wie die Einstiegsqualifizierung sehen ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum vor, das bis zu zwölf Monate dauert. In dieser Zeit erhalten die Jugendlichen eine Vergütung. Der Inhalt des Praktikums orientiert sich an den Vorgaben eines anerkannten Ausbildungsberufs, am Ende erhält der Teilnehmer ein Zeugnis.

Für mehr internationalen Austausch ist es wichtig, dass Betriebe ihren Auszubildenden ein Auslandspraktikum ermöglichen.

SPD

Ein guter Berufsstart legt den Grundstein, um Fuß zu fassen im Arbeitsleben. Hierzu sind auch Praktika ein wichtiges Instrument. Sie geben jungen Menschen Einblicke und Erfahrungen in der Arbeitswelt und Arbeitgeber*innen die Gelegenheit, potenzielle Mitarbeiter*innen kennenzulernen. Wichtig ist jedoch, dass Praktika nicht missbraucht werden, um Praktikant*innen auszubeuten oder bereits gut ausgebildete junge Menschen nicht anzustellen. Außerdem dürfen Praktikumsbedingungen nicht dazu führen, dass bereits bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt werden. Deshalb fordern wir einen ambitionierten Qualitätsrahmen für Praktika, der hochwertige, zugängliche und bezahlte Praktika sicherstellt und festlegt, dass Praktika klare Ziele aufweisen und soziale Rechte garantieren. Der Vorschlag der Kommission hierzu ist ein wichtiger erster Schritt und wir werden uns dafür einsetzen, um diesen zu verbessern und möglichst viele Praktikant*innen durch verbindliche europäische Regeln zu schützen.

Bündnis 90/Die Grünen

Gute Jobs und gerechte Löhne sind unsere Leitlinie. Mit klaren Mindeststandards beugen wir einem Wettlauf nach unten bei der sozialen Sicherung und Arbeitsbedingungen wirksam vor. Deshalb fordern wir eine angemessene Vergütung für Praktika, Traineeships und berufliche Ausbildungen und setzen uns weiter für ein Verbot unbezahlter Praktika ein. Der Vorschlag der Europäischen Kommission diesbezüglich geht uns nicht weit genug, da er zu viele Ausnahmen beinhaltet.

Praktika sind wichtig, um erste Arbeitserfahrungen zu sammeln und den Berufseinstieg zu erleichtern. Sie müssen aber zeitlich begrenzt sein und dürfen keine festen Angestelltenverhältnisse ersetzen.

FDP

(Bezahlte) Praktika sind ein wichtiges Element, um die Berufswelt kennenzulernen, und bilden einen ersten Einstieg in den Arbeitsmarkt für junge Menschen. Um die Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, muss allerdings deutlich früher angesetzt werden, und zwar in der frühkindlichen Bildung und Betreuung, der Schule und der beruflichen Bildung. Kindertageseinrichtungen müssen als erste Stufe der Bildungskette verankert und noch besser befähigt werden, qualitativ hochwertige Erziehungs-, Betreuungs- und Bildungsarbeit leisten zu können. Wir brauchen moderne Schulgebäude und Technik, Aus- und Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, digitale Lehr- und Lernmethoden, Glasfasernetz und leistungsfähiges WLAN.

Die Linke

Bezahlte Praktika können eine Orientierung für den Einstieg ins Berufsleben und ein Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sein. Wichtig sind einheitliche Qualitätskriterien und eine angemessene, verbindliche Vergütung. Oft werden Praktikant*innen jedoch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Die Unterstützung durch die EU-Jugendgarantie missbrauchen Unternehmen teilweise zur Schaffung von unbezahlten Praktika. Das wollen wir verbieten. Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kann der öffentliche Beschäftigungssektor spielen; der muss dringend ausgebaut werden. Damit kann direkt Einfluss genommen werden auf die Unterstützung besonders benachteiligter Jugendlicher.

Thema 5: Arbeitsmarktmobilität

Was muss sich Ihres Erachtens hinsichtlich der Arbeitsmarktmobilität in der EU ändern, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und in die Arbeitsmärkte der EU zu integrieren?

CDU/CSU

Wir möchten die Fähigkeiten junger Menschen aus ganz Europa zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Deutschland fördern und nutzen. Dafür müssen insbesondere alle Hürden beseitigt werden, die es bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch gibt. Wir wollen die Arbeitnehmermobilität in Europa verbessern und die sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Regelungen zur Entsendung (z. B. sogenannte A1-Bescheinigungen) von Arbeitnehmern schnell vereinfachen.

Darüber hinaus wollen wir mehr Menschen in Arbeit bringen. Durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen wir es insbesondere Frauen ermöglichen, von Teilzeit auf Vollzeit zu wechseln. Wir wollen den Anteil von Frauen in der Wissenschaft, Forschung, Mathematik und im Ingenieurwesen erhöhen.

Und schließlich können wir auf die legale Zuwanderung von Fachkräften, die bei uns arbeiten und mit anpacken wollen, nicht verzichten. Daher wollen wir die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtern. Deutschland muss attraktiver für Fachkräfte werden, die Verfahren müssen rein digital bearbeitet werden. Die entsprechenden Arbeitsvisa sind schnell zu erteilen, wenn alle Voraussetzungen für eine Arbeit in Deutschland vorliegen.

SPD

Um unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen, brauchen wir ausreichend viele Arbeitskräfte auf allen Qualifikationsebenen. Diese Herausforderung können wir nur mit einem ganzheitlichen Konzept bewältigen. Im Vordergrund stehen hier die Förderung und Sicherstellung guter Arbeit und guter Bezahlung, um Arbeitskräfte zu finden und zu halten. Hierzu gehört auch die Sicherstellung einer fairen Mobilität, etwa durch die Reform der Regeln zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme und eine Stärkung der Europäischen Arbeitsbehörde. Zusätzlich brauchen wir öffentliche und private Investitionen in Aus- und Weiterbildung, um vorhandene Potenziale zu nutzen. Außerdem benötigen wir einfachere Möglichkeiten für die legale Einreise in die EU. Deshalb wollen wir bestehende Möglichkeiten ausbauen und nationale Zugangsmöglichkeiten harmonisieren. Das deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das ausdrücklich nicht nur an Hochqualifizierte gerichtet ist, könnte als Vorbild dienen.

Bündnis 90/Die Grünen

Europa braucht Fach- und Arbeitskräfte. Wir setzen uns daher für eine umfassende EU-Fachkräftestrategie ein. Wir wollen junge Menschen für die Jobs der Zukunft ausbilden, aber auch Weiterbildungsangebote für alle bereithalten – insbesondere auch für ältere Arbeitnehmer*innen. Die EU-Blue-Card-Initiative wollen wir auf nicht akademische Berufe ausweiten, um mehr Berufsgruppen die Einwanderung zu erleichtern und damit den Fachkräftemangel einzudämmen. Außerdem braucht es in der Umsetzung beim Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland in den europäischen Botschaften mehr Personal und eine Digitalisierungsoffensive. Anträge müssen digital gestellt und schneller bearbeitet werden. Gleichzeitig müssen wir Menschen, die bereits hier sind, Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme bieten.

FDP

Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist die EU auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Wir Freie Demokraten fordern deshalb eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Bei der Arbeitskräftemobilität in der EU müssen Hürden abgebaut sowie komplizierte und langwierige Prozesse bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfacht werden. Um grenzüberschreitende Arbeit unbürokratisch zu ermöglichen, wollen wir zudem die EU-Entsenderichtlinie modernisieren. Die erheblichen bürokratischen Pflichten, d. h. die Erfüllung der Meldepflicht gegenüber dem jeweiligen Land und den Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit (A1-Bescheinigung) wollen wir auf schutzwürdige Sachverhalte begrenzen und insbesondere alle kurzen beruflichen Reisen und Entsendungen von der Richtlinie ausnehmen. Auch müssen digitale Mittel – etwa die geplante „eDeclaration oder der „ESSPASS“ – besser zur effektiven Entbürokratisierung eingesetzt werden.

Die Linke

In den EU-Verträgen muss unmissverständlich festgelegt werden, dass soziale Grundrechte und sozialer Fortschritt auch im Konfliktfall Vorrang vor Unternehmens-„Freiheiten“ und Wettbewerbsregeln haben. Arbeitsmobilität in der EU darf nicht dazu führen, dass Beschäftigte ausgebeutet werden und die soziale Absicherung ausgehebelt wird oder ein Dumpingwettbewerb um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen organisiert wird. Das Unterlaufen von Arbeitsstandards muss unterbunden werden. Um die Beschäftigten zu schützen, muss die EU europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte dauerhaft und ausreichend finanzieren. Agenturen dürfen nur in gute Arbeitsbedingungen vermitteln. Dazu gehört voller Sozialversicherungsschutz in jedem Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag. Arbeitsschutzkontrollen müssen im Sinne der Beschäftigten ausgebaut werden. Ausländische Abschlüsse und Qualifikationen müssen besser anerkannt werden, damit Menschen ihre Berufe weiter ausüben können.

Thema 6: Bildungs- und Berufsabschlüsse

Wie stehen Sie zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen in und außerhalb der Mitgliedstaaten sowie zu einer Harmonisierung von Abschlüssen?

CDU/CSU

CDU und CSU treten für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung ein. Dazu wollen wir die Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse in allen Bereichen (Schule, Hochschule sowie berufliche Bildung) gewährleisten – ohne bewährte Strukturen zu untergraben. Außerdem arbeiten wir darauf hin, dass die EU-Mitgliedstaaten die Anerkennungsverfahren und Transparenzinstrumente, wie den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) für die berufliche Bildung, weiter vereinfachen.

Angesichts des wachsenden Anteils informeller und non-formaler Lernformate besteht Bedarf, beruflich erworbene Kompetenzen sichtbar und bewertbar zu machen. Daher wollen wir ein neues, flexibles und einheitliches Validierungssystem für berufliche Kompetenzen schaffen. Zuständige Stellen sollen Kriterien entwickeln, um auch non-formal und informell erworbene Kompetenzen in Bezug auf anerkannte Abschlüsse zu bewerten und transparent zu machen – unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland erworben wurden.

SPD

Die SPD unterstützt das System der automatischen gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Dies sollte aber nur unter strenger Wahrung der Qualitätsstandards geschehen, damit kein Wettbewerb auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen stattfindet und Profit zulasten von Qualität bei der Dienstleistungserbringung geht. Für die Realisierung des EU-Bildungsraumes sind automatische gegenseitige Anerkennung und Harmonisierung von Abschlüssen unabdingbar. Die notwendigen Voraussetzungen dafür sind zumindest im Hochschulbereich bereits durch den Bologna-Prozess geschaffen. Auch für Qualifikationen aus Drittstaaten gilt: Wer sich qualifiziert hat, sollte davon profitieren können. Deswegen setzt sich die SPD dafür ein, Anerkennungsverfahren für Qualifikationen aus Drittstaaten zu erleichtern. Perspektivisch befürworten wir die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Rechtsrahmens für Arbeitsmigration, zum Beispiel durch die Verordnung über die Einrichtung eines EU-Talentpools.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Möglichkeit, in jedem europäischen Land zu studieren oder zu arbeiten, eröffnet viele neue Perspektiven. Wenn es aber um die Anerkennung von Abschlüssen geht, wird es oft schwierig. Darum setzen wir uns dafür ein, dass berufliche Ausbildungsabschlüsse und Bildungsabschlüsse im Rahmen des Europäischen Qualifizierungsrahmens einfacher und schneller in jedem Land der EU gelten, statt mühsam anerkannt werden zu müssen. Im Hinblick auf die Anerkennung von Berufsabschlüssen, wollen wir die Anzahl der Berufe, für die der Europäische Berufsausweis möglich ist, deutlich erweitern. Außerdem wollen wir die Position der Bewerber*innen verbessern, indem europaweit vergleichbare Anerkennungsverfahren eingeführt und umfassende Orientierung und Unterstützung durch mehrsprachige Beratungs- und Informationsangebote angeboten werden.

FDP

Motivierten und leistungsbereiten Menschen, die vorankommen und sich mit ihren Fähigkeiten in Europa für Fortschritt und Wachstum einsetzen möchten, müssen alle Türen offenstehen. Wir Freie Demokraten wollen deshalb bei der Arbeitskräftemobilität in der EU Hürden abbauen sowie komplizierte und langwierige Prozesse vereinfachen. Insbesondere wollen wir bürokratische, monatelange Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Diese sollen beispielsweise eine schnelle Übersetzung europäischer Abschlüsse in ihre nationalen Pendants ermöglichen. Wir Freie Demokraten streben zudem an, die europäischen Berufsausbildungs- und Schulsysteme, dort wo es der Bildungsmobilität dient, stärker zu harmonisieren und Noten-Referenzrahmen zu schaffen. Daher wollen wir den Kopenhagen-Prozess zu Qualität und Anerkennung der beruflichen Bildung auf schulische Bildung ausweiten und zu einem Erfolg wie dem Bologna-Prozess machen.

Die Linke

Die Linke setzt sich für die Anerkennung von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen in Europa ein, um Hürden abzubauen. Auch Abschlüsse und Qualifikationen aus Nicht-EU-Ländern müssen zügig anerkannt werden, damit Menschen ihre Berufe weiter ausüben können. Wichtig ist ein System zur Qualitätssicherung bei der Anerkennung. Wir wollen keine Absenkung von Standards. Wir stellen uns auch einem ausschließlich an Arbeitsmarktqualifikationen ausgerichteten Bildungsverständnis entgegen. Und wir setzen uns dafür ein, dass Arbeitsbedingungen und Bezahlung insbesondere in Berufen mit Fachkräftemangel verbessert werden, statt ausgebildete Beschäftigte aus anderen Ländern abzuwerben, die dort dann fehlen für die Versorgung der Bevölkerung.

Thema 7: Attraktivität des öffentlichen Dienstes

Wie kann der öffentliche Dienst in der EU an Attraktivität gewinnen und welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung und das Berufsbeamtentum?

CDU/CSU

Deutschland und die Europäische Union brauchen einen attraktiven Öffentlichen Dienst. Seine Stärke sind seine qualifizierten und motivierten Mitarbeiter. Mit ihnen gemeinsam muss die Leistungsfähigkeit der Verwaltungsstrukturen weiter verbessert werden.

Beim Thema Fachkräftemangel muss gerade auch an den Öffentlichen Dienst gedacht werden – in Deutschland wie auch in der Europäischen Union. Der Öffentliche Dienst steht in einem harten Wettbewerb mit der freien Wirtschaft: Wenn wir den hohen Qualitätsstandard halten wollen, müssen die Attraktivitätsfaktoren stärker in den Fokus rücken. Gerade Faktoren wie eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, Sinnhaftigkeit der Tätigkeit und Work-Life-Balance, wo der öffentliche Dienst stark ist,
haben bei jungen Menschen an Gewicht gewonnen. Diesen Schatz zu pflegen und die „Besten der Besten“ zu gewinnen, ist besonders wichtig.

Das Bestandspersonal braucht gute Führung, Fortbildung und Konzentration auf sinnstiftende Aufgaben.

SPD

Europa befindet sich in einer Zeit besonderer Herausforderungen. Die zahlreichen Krisen, ob die Corona-Pandemie oder die Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, haben die Bedeutung von gut funktionierenden öffentlichen Diensten deutlich gemacht, um die Menschen in Europa zu schützen und unterstützen. Öffentliche Dienste können ihrer Rolle aber nur gerecht werden, wenn sie hierfür ausreichend ausgerüstet sind. Hierfür braucht es die notwendigen finanziellen Ressourcen, um die notwendige Modernisierung voranzutreiben und dem Personal ein attraktives Angebot zu unterbreiten. Deshalb fordern wir weiterhin eine europäische Förderung der Digitalisierung des öffentlichen Sektors, wie derzeit durch das Programm „digitales Europa“, auch über die Laufzeit des derzeit gültigen mehrjährigen Finanzrahmens hinweg.

Bündnis 90/Die Grünen

Eine stabile europäische Wirtschaft sichert unseren Wohlstand. Mit guten Arbeitsbedingungen, sicheren Jobs, anständigen Löhnen und Weiterbildung gewinnen und halten wir die dafür notwendigen Arbeits- und Fachkräfte. Das gilt gleichermaßen für akademisch ausgebildete Fachkräfte wie für solche mit einer Ausbildung in Handwerk, Industrie oder öffentlichem Dienst. Um die Attraktivität von Berufen im öffentlichen Dienst zu erhöhen, setzen wir uns für mehr Digitalisierung im Bereich der Verwaltung ein. Durch den damit einhergehenden Bürokratieabbau werden Arbeitsprozesse beschleunigt und unkomplizierter und das Arbeiten flexibler, beispielsweise durch die Möglichkeiten von Home-Office. Das Berufsbeamtentum ist insbesondere in Zeiten von Krisen und Unsicherheiten ein Garant von Stabilität und Wohlstand und damit weiterhin für viele Menschen attraktiv.

FDP

Wir Freie Demokraten stehen zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Ein gut ausgestatteter und effizienter Öffentlicher Dienst ist ein Standortvorteil für Deutschland und Europa. Der Öffentliche Dienst ist jedoch durch den demografischen Wandel und die starke Nachfrage nach Fachkräften in der freien Wirtschaft unter einem hohen Konkurrenzdruck. Ein modernes Dienstrecht muss sich den vielfältigen Lebensplanungen der Menschen anpassen. Flexible Arbeitsmethoden, durchlässigere Laufbahnen und die Belohnung von Eigeninitiative und Engagement können den Öffentlichen Dienst auch zukünftig zu einem attraktiven Arbeitgeber machen. Der Öffentliche Dienst muss konsequent digital werden. Das bedeutet nicht nur, dass der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern barrierefrei und digital erfolgen muss, sondern auch, dass die Behörde selbst digital arbeitet und so die Effizienzgewinne erzielt, die digitale Prozesse ermöglichen. Um den Öffentlichen Dienst darüber hinaus attraktiv zu machen, muss der Einstieg mit Berufserfahrung deutlich erleichtert werden. Auch der Wechsel in die freie Wirtschaft muss problemlos möglich sein, um dort Erfahrungen sammeln zu können, die später gewinnbringend für den Dienstherrn eingesetzt werden können. 

Die Linke

Um Berufe im öffentlichen Dienst ebenso wie in anderen Branchen attraktiv zu machen, sind gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen zentral. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, für ihre Arbeit ein faires Einkommen, soziale Sicherheit, gute Bedingungen und ausreichend Zeit zu bekommen. Zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst wurden in den letzten Jahrzehnten gestrichen, sodass viele Ämter überlastet sind und ihre Aufgaben kaum noch sachgerecht erfüllen können. Das geht auf Kosten der Beschäftigten, die neben dem Arbeitsstress häufig noch den Ärger der Bürger*innen abbekommen. Digitalisierung und eine gute IT-Ausstattung in den Dienststellen ist absolut notwendig. Dennoch braucht es deutlich mehr Personal, um die Belastung der Beschäftigten zu reduzieren. Um die öffentlichen Dienste ausreichend zu finanzieren, müssen riesige Vermögen und Konzerngewinne wieder gerecht besteuert werden. Nötig ist eine gute soziale Absicherung für alle Beschäftigten, dann scheint uns das Berufsbeamtentum nicht erforderlich.

Thema 8: Demokratiefeindliche Entwicklungen bekämpfen

Wie gelingt es Ihres Erachtens demokratiefeindliche Entwicklungen innerhalb (und außerhalb) der EU einzudämmen und was wird Ihr Beitrag dazu sein?

CDU/CSU

Im Interesse der Lebendigkeit unserer Demokratie und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist es erforderlich, ziviles Engagement und demokratisches Verhalten sowie den Einsatz für Vielfalt und Toleranz bei Kindern und Jugendlichen auf der kommunalen bzw. regionalen Ebene zu fördern und zu stärken. Wir motivieren und unterstützen deshalb Vereine, Projekte und Initiativen, die sich der Förderung von Demokratie und Toleranz widmen und gegen Gewalt und Hass, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus wenden. Wir setzen uns auch dafür ein, dass die Prävention durch Verstetigung von Programmen gestärkt wird.

Die Auseinandersetzung mit und die Überwindung von Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist eine Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft gleichermaßen. Demokratiefeindlichen Strukturen wollen wir mit der Stärkung von Forschung und politischer Bildung entgegentreten. Die Bundeszentrale für politische Bildung leistet dabei einen unverzichtbaren Beitrag für die Demokratieförderung in Deutschland.

SPD

In Europa ist die Achtung der Werte des Art. 2 EUV keine innere Angelegenheit des jeweiligen Mitgliedsstaates, sondern ihre Verletzung ist eine Gefahr für die gesamte Union. Wir setzen bestehende Schutzinstrumente mit größerer Härte ein und entwickeln neue Instrumente zum Schutz unserer gemeinsamen Werte (etwa eine Änderung des Art. 7 EUV sowie eine generelle Konditionalität). Zudem setzen wir uns für Schutzinstrumente etwa für die Medien- und Pressefreiheit ein (z. B. Media Freedom Act und die Ant-SLAPP-Richtlinie). Wir setzen uns dafür ein, dass Hass, Hetzte und Desinformation online wie offline keine Chance haben (etwa durch strikte Anwendung des DSA und eine Mindestharmonisierung der Strafbarkeit von Hass und Hassverbrechen). Finanzielle Instrumente wie CERV werden wir stärken. International ist ein starkes Europa in der Welt unsere Antwort auf die globalen Herausforderungen, insbes. den Druck, dem sich die Demokratien dieser Welt durch Populisten und Autokraten gegenübersehen.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Europäische Union beruht auf Grundwerten wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte. Autoritäre und rechtsextreme Kräfte versuchen in ganz Europa diese Grundwerte anzugreifen und den Rechtsstaat auszuhöhlen. Wir müssen der Einflussnahme von außen und der Aushöhlung des Rechtsstaats von innen entschieden entgegentreten. Wir stellen uns mit einer klaren Haltung gegen autoritäre Tendenzen und treten für Grundrechte überall in der EU ein. Dafür wollen wir die Grundrechtecharta, das Grundgesetz der EU, stärken und die Anwendung auch auf nationales Handeln ermöglichen. Das Rechtsstaatsverfahren wollen wir schärfen, damit stärker gegen Verstöße in den Mitgliedstaaten vorgegangen werden kann. Die Auszahlung von EU-Mitteln soll an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, demokratischer Prinzipien und der Grundrechte geknüpft werden. So gehen wir gegen Korruption, Günstlings- und Vetternwirtschaft vor. Die europäische Demokratie wollen wir weiter stärken, etwa durch eine stärkere Rolle des Europäischen Parlaments.

FDP

Jeder EU-Mitgliedstaat hat sich vertraglich verpflichtet, europäische Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu achten. Wir setzen auf eine EU, die diese Werte auch nach innen verteidigt und konsequent gegen autokratische Regierungen vorgeht. Wer den Rechtsstaat mit Füßen tritt, dem müssen rasch EU-Fördermittel entzogen werden. Wir wollen die liberalen Demokratien Europas dazu befähigen, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können. Die Anstrengungen müssen gebündelt und unter Einbeziehung neuester Forschungsergebnisse verstärkt werden. Die Wahlinfrastruktur aller EU-Mitgliedstaaten muss als kritische Infrastruktur erheblich besser geschützt werden. Gegen verdeckte Parteienfinanzierung aus dem Ausland muss auf europäischer Ebene einheitlich vorgegangen werden. EU-Kommission und Europäischer Auswärtiger Dienst müssen die Mitgliedstaaten beraten und eine Beeinflussung der Willensbildungsprozesse und Wahlen in demokratischen Staaten aus autokratisch regierten Ländern verhindern.

Demokratieverdrossenheit und -feindlichkeit fußen häufig auf Enttäuschung über und Unverständnis für demokratische Prozesse. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir europaweit politische Bildung intensivieren und die Menschen resilient gegen demokratiefeindliche Einflussname machen. Wir Freie Demokraten wollen daher z. B. – in Anlehnung an die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung – neutrale politische Bildung und Informationen europaweit aufarbeiten und digital erlebbar machen, indem wir ein Europa-Hub für politische und digitale Bildung schaffen.

Die Linke

Der Eindruck, dass Arbeit nicht mehr zu einem guten Leben führt und dass die Sorgen vieler Menschen für die Regierung kaum eine Rolle spielen, untergräbt Vertrauen in Demokratie.
Löhne und Renten sind bei vielen zu niedrig, Preise und Mieten oft unerschwinglich, medizinische Versorgung besonders auf dem Land gefährdet, Bahn und Bus unzuverlässig, Schulen und Brücken marode. Das schürt Frust und Ärger über eine Politik, die daran wenig ändert. Rechte verschweigen, dass Umverteilung hin zu Millionären und Konzernen daran schuld ist - und dass sie das fortsetzen wollen. Damit Menschen sich nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen, muss die Politik dafür sorgen, dass die Gesellschaft wieder für alle funktioniert. Mit guten Löhnen, sozialer Sicherheit, verlässlichen öffentlichen Dienstleistungen und Investitionen in sozialen und klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Riesige Vermögen und Konzerngewinne müssen dafür wieder stärker beitragen. Die Linke setzt sich dafür ein, dass Arbeit gut bezahlt wird und öffentliche Dienstleistungen so auskömmlich finanziert werden, dass sich alle auf die Demokratie verlassen können.

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