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    Sich als Wahlhelfer*in engagieren und zum reibungslosen Ablauf der Wahl beitragen? Alle Infos gibt's bei der Stadt oder Gemeinde vor Ort. Foto: Colourbox

Ehrenamt

Keine Wahlhelfer*innen, keine Demokratie

Eine Wahl braucht Menschen, die kandidieren, Wählerinnen und Wähler, und nicht zuletzt Wahlhelfende. Drei Mitglieder der dbb jugend haben dieses Ehrenamt übernommen und schildern ihre Erfahrungen.

2014, in Nordrhein-Westfalen stehen Kommunalwahlen an: Ein Freund fragt Susanne Aumann, ob sie sich als Wahlhelferin engagieren möchte. Sie sagt zu, geht aber am Wahltag mit einem mulmigen Gefühl ins Wahlbüro. „Ich war Anfang 20 und hatte die Sorge, dass ich es nicht hinbekomme“, erinnert sich Aumann. Doch vor Ort lösen sich ihre Zweifel in Luft auf: Das erforderliche Wissen, das die Stadt Aachen auf einer Schulung und über Unterlagen vermittelt hat, kann sie ohne Probleme anwenden. Zudem unterstützen erfahrende Wahlhelferinnen und Wahlhelfer alle Neulinge. Fazit: „Mir hat’s extrem viel Spaß gemacht. Seitdem halte ich mir alle Wahltage im Kalender frei!“

Egal, ob Kommunal-, Landes- oder Bundesebene: Mittlerweile hat Aumann, Vorsitzende der dbb jugend in Nordrhein-Westfalen, bei neun Wahlen mitgeholfen. Und am 9. Juni 2024 folgt die zehnte, an diesem Tag steht die Europawahl an. 400 Millionen Menschen in 27 Staaten dürfen ihre Stimme abgeben, in Deutschland erstmals auch 16-Jährige. Bundesweit sorgen 675.000 Ehrenamtliche dafür, dass alles reibungslos funktioniert, organisiert in etwa 90.000 Wahlvorständen. Sie kontrollieren Ausweise, prüfen Wahlscheine, geben Stimmzettel aus, zählen die Stimmen und stellen das Ergebnis fest. Damit bilden sie das Fundament der Wahl. Es gibt einiges zu beachten, damit alles im Sinne der Demokratie abläuft.

Demokratie und Meinungsvielfalt gehören für mich zusammen. Nicht jedes politische Ziel kann zu 100 Prozent umgesetzt werden. Bei der demokratischen Willensbildung geht es darum, die besten Kompromisse zu finden.

Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw

Warum Aumann dem Ehrenamt treu geblieben ist? Die gebürtige Rheinländerin begründet ihre Motivation zum einen ideologisch. Sie findet es faszinierend, wie viele Rädchen letztlich dazu beitragen, dass die Demokratie funktioniert. „Ich bin gerne Teil dieses Systems, weil freie Wahlen ein Privileg sind“ – dies sei mit Blick auf autokratische Staaten keine Selbstverständlichkeit. Und zum anderen schätzt sie die Begegnungen: „Man lernt viele Leute kennen, von Jung bis Alt, vom aufgeregten Erstwähler bis zur routinierten Rentnerin, die schon oft ihre Stimme abgegeben hat.“

Wer schon etwas Erfahrung mitbringt, kann sich als Wahlvorsteher*in engagieren. Das ist die Person, die in einem Wahlvorstand, der aus weiteren Wahlhelfer*innen besteht, den Hut aufhat. Gemeinsam gewährleisten alle die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl. Unter anderem dürfen nicht mehrere Wählerinnen und Wähler gleichzeitig in die Wahlkabine – denn die Wahl ist geheim. Und sie ist frei: Beeinflussung bei der Wahlhandlung, etwa durch Werbung, ist tabu. „Besonders spannend wird’s, wenn es an das Auszählen der Stimmen geht“, berichtet Aumann. Dabei sind Konzentration und Gründlichkeit gefragt. Am Ende muss die Zahl der abgegebenen Stimmen mit den jeweiligen Stimmen für die Parteien übereinstimmen. Als Schriftführerin protokolliert die Vorsitzende der dbb jugend nrw die Ergebnisse.

Als Wahlhelfer*in engagieren? Einfach bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung vor Ort melden. Weitere Informationen gibt’s online bei der Bundeswahlleiterin.

Matthias Berk, Landesjugendleiter der dbb jugend Hessen, hat mit Aumann zwei Dinge gemeinsam: Er hat sich ebenfalls erstmals 2014 als Wahlhelfer engagiert und nimmt auch die Aufgaben der Schriftführung wahr. „Ich gleiche Namen mit dem Wählerverzeichnis ab, protokolliere, wer gewählt hat, und leite letztlich die Ergebnisse an das Wahlkreisbüro weiter“, erzählt er. Auch ungültige Stimmen werden protokolliert – dies ist etwa der Fall, wenn bei der Stimmabgabe zu viele Kreuze gesetzt wurden und der Wählerwille nicht eindeutig erkennbar ist.

In Hessen ist es teils so, dass sich die Behörden an der Suche nach neuen Wahlhelfer*innen beteiligen, berichtet Berk. „Die Personalabteilung hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, und ich habe eingewilligt.“ Fünfmal hat sich der Gewerkschafter bisher als Wahlhelfer engagiert, mit der Europawahl folgt das sechste Mal. Mit manchen Ehrenamtlichen, die er an den Wahltagen kennengelernt hat, ist er in Kontakt geblieben. „Da ist eine tolle Gemeinschaft entstanden. Alle kommen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, was ich als sehr bereichernd empfinde.“

Demokratie bedeutet für mich Freiheit. Die Freiheit, mich politisch so zu betätigen, wie ich es möchte, meine Meinung frei äußern und diese in einem Wahlprozess darlegen zu können.

Matthias Berk, Landesjugendleiter dbb jugend Hessen

Wer kandidiert, darf kein Wahlhelfer sein

Hinter jeder Wahl steht ein enormer Organisationsprozess: Die Wahlberechtigten müssen informiert, die Stimmzettel gedruckt und die Wahlhelfer*innen eingearbeitet werden. Dafür sind die Städte und Kommunen zuständig. Jemand, der sich aktuell um die Organisation kümmert, ist Joachim Weschbach, der im baden-württembergischen Helmstadt-Bargen in der Verwaltung arbeitet. Bei vergangenen Wahlen hat sich der Landesjugendleiter der dbb jugend im Südwesten als Wahlhelfer engagiert, er kennt also beide Perspektiven – „diesmal bin ich allerdings nicht dabei, weil ich für den Kreistag kandidiere“, sagt er. „Das Gesetz verbietet es, und das ist auch richtig. So viel Neutralität muss sein.“ In Baden-Württemberg finden zeitgleich mit der Europawahl die Kommunalwahlen statt. Damit beim Zählen nichts durcheinandergeht, haben die Stimmzettel unterschiedliche Farben.

Demokratie bedeutet, dass das Wahlergebnis von allen akzeptiert wird. Mein Eindruck ist, dass das aktuell weniger wird.

Joachim Weschbach, Landesjugendleiter dbb jugend Baden-Württemberg

Was passiert eigentlich, wenn sich in einer Gemeinde nicht ausreichend Wahlhelfer*innen melden? „Gesetzlich kann eine Kommune auch Wahlhelferinnen und Wahlhelfer ernennen“, erklärt Weschbach. „Aber das ist aus meiner Sicht das letzte Mittel und kommt bei uns in der Regel nicht vor.“ Es gebe ausreichend Freiwillige, die sich melden. „Wer im ländlichen Raum einmal auf der Liste steht, ist quasi immer dabei.“

Und was Weschbach den Wahlberechtigten mit auf den Weg geben würde? „Manchmal kommt es vor, dass Leute im falschen Wahlbüro stehen oder ihren Personalausweis vergessen. Im Zweifel einfach noch einmal kontrollieren, ob alles da ist beziehungsweise seine Richtigkeit hat.“

Text: Christoph Dierking