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Sachsen und ThüringenAlles, was Du über die Landtagswahlen wissen musst

Am Sonntag, 1. September, setzen die Wahlberechtigten in Sachsen und Thüringen ihre Kreuze. Die dbb jugend sieht die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr.

Auf einen Blick:

1. Was ist die Ausgangslage?

2. Wer sind die Spitzenkandidat*innen?

3. Wie lauten die Ergebnisse der Landtagswahlen 2019 und die Landesergebnisse der vergangenen Europawahl?

4. Wie lauten aktuelle Umfrageergebnisse?

5. Welche Fragen sind zentral?

6. Wie blickt die dbb jugend auf die Wahl?

 

1. Was ist die Ausgangslage?

Sachsen

In Sachsen regiert eine Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD. Ministerpräsident ist Michael Kretschmer (CDU). Die Opposition bilden AfD und Linkspartei, weiterhin gibt es fünf fraktionslose Abgeordnete, unter anderem einen von den Freien Wählern. Die FDP ist nicht im sächsischen Landtag vertreten. Die stärksten Fraktionen bilden mit deutlichem Abstand die CDU und AfD.

Regierung: CDU (44 Mandate), Grüne (12), SPD (10)

Opposition: AfD (34), Linke (14), Fraktionslose (5)

Thüringen

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) regiert mit SPD und Grünen (Rot-Rot-Grün). CDU, AfD, FDP und sechs fraktionslose Abgeordnete bilden die Opposition.

Im Erfurter Landtag stellen die Linke, CDU und AfD die meisten Abgeordneten, die Mandate verteilen sich wie folgt:

Regierung: Linke (28), SPD (8), Grüne (5)

Opposition: CDU (21), AfD (18), FDP (4), Fraktionslose (6)

2. Wer sind die Spitzenkandidat*innen?

Sachsen

  • CDU: Michael Kretschmer
  • AfD: Jörg Urban
  • Grüne: Franziska Schubert, Wolfram Günther und Katja Meier
  • SPD: Petra Köpping
  • Linke: Susanne Schaper und Stefan Hartmann
  • FDP: Robert Malorny
  • BSW: Sabine Zimmermann

Thüringen

  • Linke: Bodo Ramelow
  • CDU: Mario Voigt
  • AfD: Björn Höcke
  • SPD: Georg Maier
  • Grüne: Madeleine Henfling, Bernhard Stengele
  • FDP: Thomas Kemmerich
  • BSW: Katja Wolf

3. Wie lauten die Ergebnisse der Landtagswahlen 2019 und die Landesergebnisse der vergangenen Europawahl?

Sachsen

  • CDU: 32,1 Prozent (Europa: 21,8)
  • AfD: 27,5 Prozent (Europa: 31,8)
  • Linke: 10,4 Prozent (Europa: 4,9)
  • Grüne: 8,6 Prozent (Europa: 5,9)
  • SPD: 7,7 Prozent (Europa: 6,9)
  • FDP: 4,5 Prozent (Europa: 2,4)
  • BSW: - (Europa: 12,6)

Thüringen

  • Linke: 31 Prozent (Europa: 5,7)
  • AfD: 23,4 Prozent (Europa: 30,7)
  • CDU: 21,7 Prozent (Europa: 23,2)
  • SPD: 8,2 Prozent (Europa: 8,2)
  • Grüne: 5,2 Prozent (Europa: 4,2)
  • FDP: 5,0 Prozent (Europa: 2,0)
  • BSW:  - (Europa: 15)

4. Wie lauten aktuelle Umfrageergebnisse?

Die nachfolgenden Umfrageergebnisse hat das Meinungsforschungsinstitut INSA am 24. August 2024 veröffentlicht, im Auftrag der „Bild“-Zeitung.

Demnach liegt die AfD in Sachsen mit 32 Prozent vorne, gefolgt von der CDU (30 Prozent). Das BSW liegt an dritter Stelle mit 15 Prozent. Die SPD würde mit sechs Prozent knapp den Wiedereinzug in den Landtag schaffen, die Grünen mit fünf Prozent; die Linkspartei hingehen mit vier Prozent ausscheiden. Die FDP wäre chancenlos. Sie fällt unter die sonstigen Parteien, die insgesamt auf fünf Prozent kämen.

In Thüringen liegt die AfD mit 30 Prozent deutlich vor den anderen Parteien. Die CDU auf dem zweiten Platz (21 Prozent), dicht gefolgt vom BSW (20 Prozent). 14 Prozent der Stimmen entfielen auf die Linkspartei. Die SPD würde den Wiedereinzug mit sechs Prozent knapp schaffen. Grüne und FDP kämen auf jeweils drei Prozent und würden damit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Mehr entdecken: Monitor 2024 – fünf Erkenntnisse zum öffentlichen Dienst

Zu etwas anderen Ergebnissen kommt das ZDF-Politbarometer vom 23. August 2024: Die Statistik sieht die CDU in Sachsen an erster Stelle (33 Prozent), gefolgt von der AfD (30 Prozent), BSW (11 Prozent), SPD (7 Prozent) und Grünen (6 Prozent). Die Linke würde mit vier Prozent ausscheiden, die FDP wäre dem Politbarometer zufolge nicht im Landtag.

Mit Blick auf Thüringen ergäbe sich folgendes Bild: Vorne die AfD (30 Prozent), deutlich dahinter die CDU (23 Prozent). Es folgen das BSW (17 Prozent), die Linkspartei (14 Prozent), SPD (6 Prozent). Grüne und FDP würden den Wiedereinzug in den Landtag verpassen.

Umfragen stellen generell eine Momentaufnahme dar und sind mit Unsicherheiten verbunden, zeigen jedoch Tendenzen in der Regel zuverlässig auf.

5. Welche Fragen sind zentral?

Wie verhält sich das BSW?

Die Partei von Sahra Wagenknecht ist eine Blackbox, das Personal weitestgehend unbekannt. Dennoch könnte das BSW zum Königsmacher werden. Entweder, indem es eine Koalition eingeht oder eine Minderheitsregierung toleriert.

Mit Blick auf Thüringen stellt sich die Frage, ob das BSW mit der Linkspartei koaliert, von der sie sich abgespalten hat. Das könnte durchaus ein Faktor für stabile Mehrheiten werden.

Bemerkenswert: Wagenknecht verknüpft bundespolitische Themen mit landespolitischen. Sie fordert, dass ein politischer Partner die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ablehnen und sich gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine positionieren müsse. Das wäre in dieser Form wohl nur mit der AfD zu machen. Faktisch handelt es sich um Themen, über welche die Bundesregierung entscheidet.

Wagenknecht spricht in den Medien „von einem anderen Umgang mit der AfD“, den sie anstrebe, distanziert sich aber auch vom rechtsextremen Parteiflügel. Die thüringische Spitzenkandidatin Katja Wolf schließt die Zustimmung zu Gesetzesanträgen der AfD nicht aus. BSW-Koparteichefin Amira Mohamed Ali hingegen hat einer Zusammenarbeit eine klare Absage erteilt. Nicht zuletzt diese Gemengelage unterstreicht: Das BSW ist unberechenbar. Nach den Wahlen wird es Farbe bekennen müssen.

Was würden Wahlsiege der AfD bedeuten?

Dass die AfD den Ministerpräsidenten stellt oder mitregiert, gilt als unwahrscheinlich, weil keine andere Partei mit ihr koalieren möchte.

Unmittelbar hätten Wahlsiege zur Folge, dass die AfD in beiden Bundesländern als stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Postens des Landtagspräsidenten hätte.

Vorschlagsrecht heißt nicht, dass die nominierte Person auch gewählt wird. Allerdings wäre der Landtag in Thüringen womöglich nicht arbeitsfähig, wenn ein AfD-Kandidat immer wieder durchfällt. Denn die Wahl des Landtagspräsidenten ist Voraussetzung dafür, dass sich der Landtag überhaupt konstituieren und einen Ministerpräsidenten wählen kann. Laut thüringischer Landtagsverwaltung geht das Vorschlagsrecht automatisch an eine andere Fraktion, wenn keine Mehrheit für einen zuvor vorgeschlagenen Kandidaten zustande kommt. Ob die AfD, sollte der Fall eintreten, diese Rechtsauffassung teilt und akzeptiert, bleibt abzuwarten.

In Sachsen besteht mit Blick auf dieses Szenario Klarheit: Schon im zweiten Wahlgang ist es möglich, dass ein Abgeordneter gewählt wird, der nicht der stärksten Fraktion angehört, berichtet ZDFheute.

Holt die AfD ein Drittel der Mandate oder mehr?

Diese Frage spielt eine Rolle, weil für viele parlamentarische Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Wenn die AfD ein Drittel der Mandate oder mehr gewinnt, kann sie großen Einfluss nehmen.

Konkret: den Landtag auflösen, um gegebenenfalls den Weg für Neuwahlen freizumachen, Verfassungsänderungen beschließen, Verfassungsrichter*innen sowie Mitglieder des Rechnungshofs wählen – all das erfordert eine Zweidrittelmehrheit sowohl im sächsischen als auch im thüringischen Landesparlament.

Kann die AfD in Sachsen allein regieren?

Die Behauptung, dies sei möglich, haben AfD-Politiker zumindest in den Raum gestellt. Grundsätzlich gilt: Je mehr Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, desto niedriger der erforderliche Stimmanteil für die absolute Mehrheit im Parlament. Heißt: Es sind nicht notwendigerweise 50 Prozent der Stimmen für 50 Prozent der Mandate nötig.

In Sachsen würde es der AfD in die Hände spielen, sollten Grüne, SPD und Linke an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Hätte die AfD die absolute Mehrheit, könnte sie gemäß der sächsischen Landesverfassung ihren Kandidaten zum Ministerpräsidenten wählen. Aber ob es selbst unter diesen Bedingungen gleich zur absoluten Mehrheit reicht? Angesichts der Umfragewerte ist das sehr unwahrscheinlich.

Doch sollten tatsächlich nur CDU, AfD und das BSW den Einzug in den sächsischen Landtag schaffen, ist eine Minderheitsregierung ein mögliches Szenario: Wird kein Ministerpräsident mit der Mehrheit aller Abgeordneten gewählt, reicht für die Wahl die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Diese könnte sich die AfD sichern, sollte sie stärkste Kraft werden – es sei denn, CDU und BSW arbeiten zusammen und vereinen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf einem anderen Kandidaten.

Wie verhält sich die CDU?

Die Partei hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen eine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei getroffen. Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, hatte im Frühjahr betont, dass er in Bodo Ramelow keine Gefahr für die Demokratie sehe, eine Koalition mit der Linkspartei jedoch „nicht anstrebe“.

Eine Zusammenarbeit mit dem BSW hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für den Bund ausgeschlossen, für die Landesebene „nicht grundsätzlich“. Nimmt man die CDU beim Wort, bliebe – auf Grundlage der aktuellen Umfragen – wohl kaum eine andere Option, als mit dem BSW zusammenzuarbeiten, wenn sie an den Unvereinbarkeitsbeschlüssen festhalten möchte.

Platzt die Ampel-Koalition in Berlin nach den Landtagswahlen?

Wahlsiege für die Ampel-Parteien in Sachsen und Thüringen liegen laut Umfragen in weiter Ferne. Aber: Das war bei den Landtagswahlen 2019 nicht anders. Alle Parteien verzeichneten einstellige Ergebnisse, in Sachsen scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde.

Auch, wenn es diesmal ebenfalls nicht nach Rückenwind für die Ampel aussieht: Mit der Koalition zu brechen und Neuwahlen herbeizuführen, davon hätten weder SPD, Grüne noch FDP einen Vorteil. Wahrscheinlicher ist, dass sie weitermachen und auf eine Trendwende bis zur Bundestagswahl 2025 hoffen.

 

6. Wie blickt die dbb jugend auf die Wahl?

„Es droht ein politisches Erdbeben“, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend. „Ich gehe davon aus, dass wir mit den ersten Hochrechnungen auf Wahlergebnisse blicken werden, die es so noch nicht gab. Und ich gehe davon aus, dass äußerst komplizierte Regierungsbildungen bevorstehen.“

Wählt demokratisch!

Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend

Der Vorsitzende der dbb jugend unterstreicht, dass das Beamtentum eng mit den Werten des Grundgesetzes verzahnt ist, mit ihm geht das Bekenntnis zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung einher. „Mit Blick auf die sogenannte Alternative für Deutschland in Sachsen und Thüringen haben wir es mit Landesverbänden zu tun, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft. Als Gewerkschafter, der die Interessen des öffentlichen Dienstes in Deutschland vertritt, und aus tiefster persönlicher Überzeugung rufe ich die Menschen auf: Wählt demokratisch! Mir geht es nicht darum, jemanden zu bevormunden. Aber Extremismus ist der falsche Weg, um die Probleme in unserem Land – die zweifelsohne bestehen – zu lösen.“

Oliver Löwe, Mitglied der Bundesjugendleitung und gebürtig aus Dresden, erklärt: „Die Frage der Abgrenzung prägt die öffentliche Debatte, und sie bleibt angesichts der zu erwartenden Machtverschiebungen relevant. Leider gibt es keine einfache Lösung. Wer sich weigert, mit Extremisten zusammenzuarbeiten, verstärkt deren Opferrolle, die sie zur Mobilisierung nutzen. Doch eine Zusammenarbeit birgt die Gefahr, ihnen Legitimität zu verleihen. Beides ist unbefriedigend.“

Was folgt daraus? Vor allem lässt sich die Frage nicht ausklammern, wenn die AfD ein Drittel der Mandate holt, betont Löwe. „Aber die demokratischen Parteien müssen alles dafür tun, dass sie sich perspektivisch wieder erübrigt. Heißt: Glaubhaft und nachhaltig die Probleme der Menschen lösen. Noch stärker in den Dialog gehen, zuhören, erklären uns bestenfalls überzeugen. Und das vor allem auch dort, wo zunächst kein Applaus zu erwarten ist.“

Mehr entdecken: Warum junge Menschen die AfD wählen – ein Jugendforscher gibt Antworten

Ich wünsche mir, dass auch die demokratischen Parteien jungen Menschen wieder mehr auf Augenhöhe begegnen und sie ernst nehmen!

Saskia Grimm, Vorsitzende der dbb jugend Thüringen

Ähnlich sieht das auch Saskia Grimm, Vorsitzende der dbb jugend in Thüringen. „Ganz offensichtlich haben die demokratischen Parteien den Draht zu vielen Menschen verloren, leider auch zu vielen jungen Menschen“, sagt sie. „Laut Forschungsgruppe Wahlen haben 17 Prozent der 16- bis 24-Jährigen bei den Europawahlen die AfD gewählt. Das liegt vor allem an konkreten Zukunftssorgen, etwa in Zusammenhang mit hoher Inflation und der Krise auf dem Wohnungsmarkt. Aber ein Teil der Erklärung ist sicher auch, dass die AfD über die Sozialen Medien mobilisieren konnte. Ich wünsche mir, dass auch die demokratischen Parteien jungen Menschen wieder mehr auf Augenhöhe begegnen und sie ernst nehmen!“

Grimm betont außerdem, dass viele Menschen in Ostdeutschland das Gefühl haben, benachteiligt zu werden. Konkret ließe sich das beispielsweise am Gehalt und der Anerkennung von Berufsabschlüssen festmachen. „Die Probleme müssen wir beheben, und deshalb sind die Landtagswahlen so wichtig. Mitunter habe ich den Eindruck, dass vor allem die Bundespolitik im Fokus steht, wenn nicht sogar die Weltpolitik. Aber jetzt geht es erstmal um die Probleme vor Ort!“

Redaktion: Christoph Dierking

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