• Pilot*in werden? Ausbildung, Gehalt, Karriere: Der Job-Kompass von #staatklar liefert den Überblick.
    Oliver Löwe ist Pilot und fliegt Fracht um die Welt. Foto: Privat

Jobkompass: Der Pilot

Über Chengdu nach Schanghai

Oliver Löwe fliegt Frachtflugzeuge. Das bringt ihn zwar nicht an die gefragten Urlaubsorte der Welt, hat aber auch Vorzüge.

Einmal an Tibet vorbei und dann rechts abbiegen – so beschreibt Oliver Löwe den Weg nach Chengdu, Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, in der mehr als 20 Millionen Menschen leben. Doch bevor er in Richtung Fernost aufbricht, braucht er Antworten, unter anderem auf folgende Fragen: Wie wird das Wetter? Sind Rollbahnen gesperrt? Und wie viel Kerosin soll in den Tank?  „Es gibt eine vorgeschriebene Mindestmenge“, erklärt der 33-Jährige. „Aber wenn Unwetter drohen und Umleitungen wahrscheinlich sind, nehmen wir mehr mit.“ Nach etwa 15 Minuten ist alles veranlasst. Dann geht’s aus dem Büro zum Flugzeug.

Oliver Löwe ist Pilot, er engagiert sich bei der Vereinigung Cockpit; sein Dienstort ist der Frankfurter Flughafen. Aktuell fliegt er ausschließlich Frachtflugzeuge. „Ich fliege dorthin, wo die Fracht hinwill“, sagt der gebürtige Dresdener. Unterm Strich seien die Ziele im Personenverkehr natürlich attraktiver. Aber das Frachtfliegen habe auch Vorzüge: An Bord gebe es keinen Stress mit Menschen, die sich nicht benehmen können – und keine medizinischen Notfälle, die ungeplante Landungen erfordern. Eine alte Pilotenweisheit lautet: „Fracht motzt nicht und Fracht kotzt nicht.“

Begeisterung für Technik und Simulatoren

Als Kind ist Löwe oft mit seinem Stiefvater, der einen Pilotenschein hat, am Flugplatz. Die Technik, die hinter der Fliegerei steckt, fasziniert ihn schon damals. „Und ja, es ist schon etwas klischeehaft, aber ich habe auch gerne Flugsimulator gespielt“ – irgendwann habe ein Freund gesagt: „Olli, du weißt, dass man auch Pilot werden kann, oder?“ Daraufhin setzt sich der Abiturient intensiv mit dem Thema auseinander und bewirbt sich schließlich bei einer großen deutschen Fluggesellschaft. Er besteht die Aufnahmeprüfung, 2010 startet die Ausbildung. Parallel studiert er Wirtschaftsingenieurwesen, mit Fokus auf Luftfahrt, Systemtechnik und Management.

Routine gibt es nicht, jeder Flug ist anders. Oliver Löwe über seinen Alltag

Die Praxisausbildung führt Löwe in die Vereinigten Staaten von Amerika, nach Goodyear, in der Nähe von Phoenix in Arizona. Dort sitzt er erstmals alleine im Cockpit. „Ich war unfassbar nervös und mit der Situation total überfordert“, erinnert er sich. Aber die Abläufe sitzen. Er merkt, dass er die Maschine im Griff hat. Von da an kann er den Flug über die Wüste Arizonas genießen. „Es gab auch ein paar Kollegen, denen anfangs immer schlecht geworden ist. Aber wer die Aufnahmeprüfung besteht, kommt in der Regel auch durch die Ausbildung“ – mit psychologischer Unterstützung hätten die Betroffenen das Problem schnell in den Griff bekommen. 2014 schließt Löwe die Ausbildung ab, 2015 absolviert er seine ersten Linienflüge.

Russischer Luftraum ist gesperrt

Zurück in die Gegenwart: Der Flug nach Chengdu dauert knapp elf Stunden. Eigentlich geht es schneller, aber aktuell müssen Löwe und sein Team einen Umweg fliegen, da sie wegen des Ukraine-Kriegs den russischen Luftraum nicht durchqueren können. Insgesamt sind vier Piloten an Bord, die sich abwechseln. Jeder hat mal Pause. Die Flughöhe beträgt 30.000 Fuß, das sind umgerechnet etwas mehr als 9.000 Meter. Im Cockpit überwachen die Piloten, ob das Flugzeug auf der einprogrammierten Route bleibt, außerdem haben sie stets den Treibstofffluss im Blick. Gegebenenfalls passen sie – nach Rücksprache mit der zuständigen Luftraumüberwachung – die Flughöhe an, um ein besseres Windfeld zu bekommen. „So lässt sich Kerosin einsparen“, erklärt Löwe. Vor der Landung gilt es, die aktuellen Bedingungen vor Ort genau zu analysieren. Wie ist das Wetter? Welche Landedistanz ist erforderlich? „Routine gibt es nicht, jeder Flug ist anders. Und das ist auch gut so, denn durch Routine schleichen sich Fehler ein.“

Nach der Landung in Chengdu geht es schnell: Das Bodenpersonal lädt Fracht aus, neue Fracht wieder ein. Im Anschluss geht es direkt weiter nach Schanghai. Dort macht die Crew gut 44 Stunden Pause, bevor sie wieder zurück nach Deutschland fliegt. Und für das Flugzeug geht es mit einer anderen Crew direkt wieder nach Fernost. Für Oliver Löwe hingegen beginnt ab Dienstende eine Ruhezeit von 72 Stunden. Erst danach darf er wieder zu neuen Zielen aufbrechen.

Text: Christoph Dierking

FAQ: Pilot*in werden

Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?

Prinzipiell kann jeder, der einen Flugschein machen möchte und über die finanziellen Mittel verfügt, zur Flugschule gehen. Der klassische Weg führte lange über Fluggesellschaften, welche die Ausbildung unter bestimmten Voraussetzungen vorfinanzierten. Das ist aktuell in Deutschland nicht mehr der Fall. Selbst Lehrgänge, die in Partnerschaft mit Airlines angeboten werden, müssen Flugschüler*innen selbst bezahlen. Kosten: 60.000 bis 120.000 Euro.

Wer die Ausbildung abgeschlossen hat, kann sich auf freie Stellen bewerben. Je nach Fluggesellschaft können sich die Voraussetzungen unterscheiden: Manche verlangen Abitur, manche einen Mittleren Schulabschluss. Entscheidend ist in jedem Fall, den Aufnahmetest zu bestehen. Dazu gehört eine medizinische Untersuchung, bei der die körperliche Eignung geprüft wird. Für die Körpergröße sowie Hör- und Sehvermögen gelten bestimmte Mindestanforderungen. Weiterhin gibt es meist schriftliche und psychologische Tests, bei denen unter anderem räumliches Vorstellungsvermögen, technisches Verständnis sowie visuelle und akustische Merkfähigkeit gefordert sind. Nicht zuletzt sind sehr gute Englischkenntnisse für den Job von Bedeutung.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Die Ausbildung dauert in Vollzeit mindestens 22 Monate.

Wo findet die Ausbildung statt?

Das hängt von den Flugschulen ab. Große Standorte in Deutschland sind unter anderem Berlin, Bremen, Essen, Mönchengladbach und Rostock.

Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?

Zentral in der Ausbildung ist – wenig überraschend – das Fliegen. Auf dem Lehrplan stehen außerdem Luftfahrtrecht, Navigation, Meteorologie und Technik.

Was verdiene ich?

Die Einstiegsgehälter können stark variieren. Sie liegen je nach Arbeitgeber zwischen 30.000 und 85.000 €. Einen Einblick in die Gehälter in der Luftfahrt gibt es beim Pilotjobnetwork.

Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?

Pilot*innen fliegen im Personen- oder Frachtluftverkehr. Wegen ihrer Kenntnisse sind sie auch anderswo gefragt, beispielsweise im Luftfahrtbundesamt sowie in technischen Abteilungen oder im Management von Fluggesellschaften.

Wo finde ich weitere Informationen?

Weitere Informationen bietet die Vereinigung Cockpit, zum Pilotenberuf im Allgemeinen und zur Ausbildung. Ferner hat die Arbeitsgemeinschaft „Qualifikation und Training“ eine Checkliste zusammengestellt, was bei der Wahl der Flugschule zu beachten ist.