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Fordert Wählen ab 16, auch bei der Bundestagswahl: Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend. Foto: Vanessa Wunsch
Internationaler Tag der JugendFandrejewski: „Wählen ab 16 muss endlich möglich sein“
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung das Wahlalter bei der Bundestagswahl senken – nur passiert ist bisher nichts. Anlässlich des Internationalen Tages der Jugend am 12. August erinnert Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend, die Politik an ihr Vorhaben.
In Niger putschen sich Militärs an die Macht. In Myanmar gehen Generäle mit Gewalt gegen die Opposition vor. Und auch in Russland und China hat die Demokratie einen schweren Stand. Das sind nur wenige Beispiele, die zeigen, dass freie Wahlen in der Welt alles andere als selbstverständlich sind.
Ich selbst durfte 2009 das erste Mal an den Wahlen zum Bundestag teilnehmen. Damals war ich 20 Jahre alt. Für mich war es ein besonderer Tag: den Stimmzettel abholen, in die Wahlkabine gehen, die Kreuzchen setzen, den Stimmzettel in die Wahlurne werfen. Dann hieß es warten – warten auf die ersten Hochrechnungen, die ich um 18 Uhr live in den Nachrichten verfolgt habe.
Manche wählen erstmals jenseits der 20
Eigentlich ist es doch kurios: Für die Bundestagswahlen gilt ein Wahlalter ab 18 Jahren. Aber in der Realität wählen viele junge Menschen später. Unter anderem eine Kollegin von mir hatte Pech: Weil sie ein Jahr nach einer Wahl volljährig wurde, hat sie mit 21 erstmals an einer Bundestagswahl teilgenommen.
Klar, irgendwo müssen wir Grenzen ziehen – dennoch sind solche Fälle ärgerlich für alle, die Demokratie leben und mitgestalten wollen. Wenn die Politik das Wahlalter für die Bundestagswahl auf 16 absenkt, würde sie vielen jungen Menschen entgegenkommen. Wählen ab 16 muss endlich möglich sein, auch auf Bundesebene. Dies ist schon lange eine Forderung der dbb jugend.
Ein grenzenloses Wahlalter ist der falsche Weg
Blicken wir auf die Debatte ums richtige Wahlalter. Sie ist nicht neu, seit Jahren wird leidenschaftlich diskutiert. Es gibt sogar Menschen, die ein grenzenloses Wahlrecht von Geburt an fordern, also ab 0. Da frage ich mich: Sollen Babys wählen gehen? Die Befürworter*innen argumentieren, die Eltern könnten das Wahlrecht zunächst stellvertretend für ihre Kinder ausüben. Aber das halte ich für nicht praktikabel. In der Praxis würde es dazu führen, dass Menschen mit einem Kind für einen bestimmten Zeitraum zweimal stimmberechtigt wären. Und wer drei minderjährige Kinder hat, der kann dann plötzlich vierfach abstimmen? Das hielte ich für abwegig und unfair.
Unabhängig davon scheint es, als hätten alle die passenden Argumente parat, um ihre Forderung nach einem bestimmten Wahlalter zu untermauern. Wählen ab 14, das soll möglich sein, weil Jugendliche ab dann straf- und religionsmündig sind, meinen die einen. Wählen ab 16 muss möglich sein, weil viele junge Menschen dann in die Ausbildung starten und Steuern zahlen, meinen die anderen. Es sei nur fair, wenn sie auch über die Verwendung der Steuergelder mitentscheiden können. Und wiederum andere, die nicht am Wahlalter ab 18 rütteln wollen, meinen, das Wahlrecht muss zwingend an die Volljährigkeit geknüpft sein. Wählen und Verträge von Mama und Papa unterschreiben lassen, das passe einfach nicht zusammen.
Was das Grundgesetz sagt
Meinungen gibt es offenbar viele, manche Argumente sind durchaus plausibel. Für mich persönlich spielen sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist doch, was im Grundgesetz steht: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt“, heißt es in Artikel 38. Für das Wahlalter sind vor allem die Stichworte „allgemein“ und „gleich“ von zentraler Bedeutung.
„Allgemein“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass möglichst viele, wenn nicht sogar alle Staatsbürger*innen, an den Wahlen teilhaben sollen. Aktuell sind jedoch alle unter 18 Jahren ausgeschlossen, etwa 14 Millionen Menschen. Aber jenseits vom Ideal eines vollständig umgesetzten allgemeinen Wahlrechts gibt es eben auch die realpolitische Dimension. Eine bestimmte Reife ist für die Demokratie erforderlich. Und da sagen wir als dbb jugend: Diese sehen wir flächendeckend bei allen gegeben, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Sicher mag es auch Einzelfälle geben, in denen auch 14-Jährige die erforderliche Reife mitbringen, keine Frage. Aber irgendwo muss man Grenzen ziehen.
Mit dem demografischen Wandel rückt der Aspekt der Gleichheit immer stärker in den Fokus. Die Gesellschaft altert, bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 waren laut Statistischem Bundesamt 38,8 Prozent der Wahlberechtigten 60 oder älter. Die Stimmen der jungen Generation haben einen immer geringeren Anteil am Wahlergebnis. Das geht nicht – zumal die Jugend am längsten mit den Entscheidungen von heute leben muss.
Koalitionsvertrag – bitte umsetzen!
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien steht: „Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken.“ Das ist Ende vergangenen Jahres endlich geschehen und war längst überfällig. Im Koalitionsvertrag steht auch: „Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“ Bemerkenswert ist, dass der zweite Satz als Absichtserklärung formuliert ist – statt „werden“ ist von „wollen“ die Rede. Offenbar stehen die Parteien nicht geschlossen hinter der Herabsetzung des Wahlalters für die Bundestagswahl.
Bloße Absichtserklärungen sind nichts wert. Worte haben keinen Wert, wenn keine Taten folgen. Deshalb fordert die dbb jugend: Die Regierung muss nach der Sommerpause handeln und das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen. Damit würde sie die Demokratie stärken, weil Demokratie von Teilhabe lebt. Sie würde die politische Bildung fördern, weil junge Menschen sich mehr mit Politik befassen, wenn sie teilhaben dürfen. Sie würde mehr jungen Menschen eine Stimme geben. Und damit der Generation der Zukunft. Die Zeit ist reif. Die Jugend ist ab 16 reif für die Bundestagswahl!