• Auf der Straße Druck machen – dazu fordert Matthäus Fandrejewski, hier auf einer Demonstration in Berlin, die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst auf.
    Auf der Straße Druck machen – dazu fordert Matthäus Fandrejewski, hier auf einer Demonstration in Berlin, die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst auf. Foto: Windmüller

Einkommensrunde 2023

Fandrejewski: „Geht auf die Straße!“

Der Vorsitzende der dbb jugend blickt mit Ernüchterung auf die bisherigen Tarifverhandlungen. Was auf dem Spiel steht und wie ernst die Lage ist, unterstreicht er in seinem Standpunkt zur Einkommensrunde.

Anfang November ist die zweite Verhandlungsrunde zu Ende gegangen – ohne Ergebnis. Nun liegt wieder alle Last auf der dritten Runde. Ich hätte mir von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ein frühes Signal der Wertschätzung gewünscht. Ein Signal, dass die Arbeitgebenden auf die Forderungen der Gewerkschaften eingehen. Auf die Forderung nach einer Erhöhung der Entgelte für Auszubildende, Dualstudierende und Praktikant*innen um 200 Euro. Auf die Forderung nach unbefristeter Übernahme von Auszubildenden und Dualstudierenden in Vollzeit. Und auf die zentrale Forderung nach 10,5 Prozent mehr Einkommen – mindestens jedoch 500 Euro – für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Denn sie sind es, die den Laden am Laufen halten.

Um es ganz plakativ zu sagen: Ohne Lehrkräfte gibt es keine Bildung. Ohne Polizei keine Sicherheit. Ohne die Beschäftigten der Unikliniken keine medizinische Versorgung. Ohne die Beschäftigten im Finanzamt niemanden, der dafür sorgt, dass Steuergelder zur Finanzierung des Gemeinwesens bereitstehen. Und ohne Forstämter niemanden, der die Wälder für den Klimawandel wappnet. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.

Staat soll Anker der Stabilität sein

Es ist besorgniserregend, dass das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates am Tiefpunkt ist. Laut dbb-Bürgerbefragung 2023 gehen nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger davon aus, dass der Staat seinen Aufgaben gewachsen ist. Dabei sollte er gerade in Krisenzeiten ein Anker der Stabilität sein. Und Krisen haben wir aktuell reichlich.

Im öffentlichen Dienst schwebt über allem das Damoklesschwert des demografischen Wandels. Es gibt zu wenige Fachkräfte, obendrein ist die Schulbildung für die Fachkräfte der Zukunft nicht sichergestellt. Wir stecken in einer Bildungskrise. Laut Verband Bildung und Erziehung (VBE) werden an deutschen Schulen im Jahr 2025 etwa 45.000 Lehrkräfte fehlen, im Jahr 2030 etwa 81.000. Dieser Zustand ist untragbar. Die Bezahlung ist eine Stellschraube, um junge Menschen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen.

Den öffentlichen Dienst gibt es nicht zum Nulltarif

Oft höre ich aus der freien Wirtschaft, dass der öffentliche Dienst nichts erwirtschaftet.

Dem entgegne ich: Bildung ist ein kostbares Gut, ohne das die Wirtschaft nicht funktioniert. Der öffentliche Dienst vermittelt Grundlagen und Fachwissen, in Schulen und Universitäten. Infrastruktur ist ein kostbares Gut, ohne sie kämen Waren nicht von A nach B. Der öffentliche Dienst kümmert sich um Autobahnen und Straßen, damit der Verkehr rollen kann. Und auch Sicherheit ist ein kostbares Gut. Feuerwehr und Polizei sind zur Stelle, wenn jemand Hilfe braucht. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Alle diese Dienstleistungen gibt es nicht zum Nulltarif.

Druck muss von der Straße kommen

Die Bezahlung steht bei jungen Menschen, den Fachkräften der Zukunft, in Zeiten der Inflation ganz oben auf der Prioritätenliste. Dies ist ein Ergebnis der aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland“. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss sich die Bezahlung im öffentlichen Dienst der Länder verbessern. Der dbb hat analysiert, wie viele Fachkräfte dem Staat aktuell fehlen: Es sind mindestens 551.000. Das ist erschreckend. Und zu allem Überfluss haben wir auch noch das Problem, dass im öffentlichen Dienst des Bundes besser bezahlt wird. Die Folge: Der Bund wirbt den Ländern die Fachkräfte ab.

Um das zu unterbinden, ist es allerhöchste Zeit, die Bezahlung anzugleichen. Wir brauchen einen geschlossenen öffentlichen Dienst, wir wollen keinen gespaltenen. Die dbb jugend erwartet von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, dass sie in der dritten Verhandlungsrunde im Dezember endlich liefert: Senden Sie ein Signal der Wertschätzung an die Menschen im öffentlichen Dienst, die auch in Krisenzeiten und unter schwierigen Bedingungen ihre Arbeit machen! Ein Signal gegen den drohenden Personalkollaps! Ein Signal für Konkurrenzfähigkeit!

Und alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die von den aktuellen Tarifverhandlungen betroffen sind, fordere ich auf: Nehmt an den Protestaktionen und Warnstreiks teil! Sendet das Signal, dass es so nicht weitergeht!

Je mehr Menschen sich beteiligen, desto stärker der Rückenwind, mit dem die Gewerkschaften in die dritte und entscheidende Verhandlungsrunde starten können. Das Streikrecht ist ein kostbares Gut und bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Nun ist es entscheidend, es mit Leben zu füllen. Seid laut, fordert von den Arbeit- und Dienstgebenden die Wertschätzung ein, die alle Menschen im öffentlichen Dienst verdienen. Macht vom Streikrecht Gebrauch! Zeigt der Tarifgemeinschaft deutscher Länder die Rote Karte! Geht auf die Straße!

Auf dem Laufenden? Aktuelle Informationen zur Einkommensrunde und Termine für Warnstreiks gibt es auf der Sonderseite des dbb.