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LebensmittelüberwachungBeschäftigte mit Pöbeleien und Gewalt konfrontiert

Maue Bezahlung und Probleme mit der Technik: In der Lebensmittelkontrolle gibt es aktuell einige Baustellen. Auch das raue Klima in der Gesellschaft bereitet Sorge.

Kontrolle in einem Imbiss, es geht um eine Schließung. Plötzlich sehen sich Florian Ackens und sein Kollege von einer Menschenmasse umringt. Einige gehören zur Belegschaft, andere sind offenbar spontan hinzugekommen. Es hagelt Beschimpfungen, Provokationen, Beleidigungen. Die beiden Lebensmittelkontrolleure schaffen es, sich der Situation zu entziehen, brechen die Kontrolle ab und verlassen den Imbiss. Später starten sie einen zweiten Versuch – in Begleitung der Polizei können sie schließlich ihre Arbeit machen.

Florian Ackens ist Lebensmittelkontrolleur in Mönchengladbach und engagiert sich bei der komba Gewerkschaft in Nordrhein-Westfalen. Mit ihm hat #staatklar über die aktuelle Situation in der Lebensmittelüberwachung gesprochen.

#staatklar: Herr Ackens, wie oft erleben Sie Szenen wie die eingangs beschriebene?

Florian Ackens: Zum Alltag gehören sie zum Glück nicht, aber sie kommen vor. Leider ist die Stimmung in der Gesellschaft hitziger geworden. Gewalt, angefangen bei Beschimpfungen, ist schon recht verbreitet. Nicht nur seitens der Wirte und Unternehmen, die wir kontrollieren. Auch Menschen, die zufällig in der Nähe sind, werden uns gegenüber ausfallend. Dies ist vor allem bei Spätkontrollen in Bars und Klubs, wo auch Alkohol eine Rolle spielt, ein Thema.

Wie äußert sich das?

Meistens durch Pöbeleien. Da fallen schnell Sätze wie „Habt ihr nichts Besseres zu tun, ihr Halsabschneider?“ oder „Ihr könnt mich mal!“. Bestenfalls gelingt es, die Situation zu deeskalieren. Schlimmstenfalls kommt es zu Handgreiflichkeiten, damit waren Kolleginnen und Kollegen schon konfrontiert. In Mönchengladbach sind wir mit Pfefferspray ausgestattet, damit wir uns im Extremfall verteidigen können.

Ich verstehe ja, dass man uns nicht mit offenen Armen empfängt. Eine Kontrolle erfolgt stets unangemeldet, um einen Eindruck vom Betrieb zu bekommen, der auch der Realität entspricht. Sonst ergibt es keinen Sinn. Klar, das wirbelt den Betriebsablauf durcheinander. Und natürlich freut sich niemand über Sanktionen, sollten sie erforderlich sein. Aber sie erfolgen stets auf Grundlage des Lebensmittelgesetzes. Wir wollen niemanden etwas Böses, sondern nur unseren Job machen.

Was muss passieren, damit sich die Situation bessert?

Aus meiner Sicht würde es helfen, die Arbeit der Lebensmittelkontrolle stärker in die Öffentlichkeit zu rücken. Wir stehen im Dienst der Allgemeinheit und sorgen dafür, dass der Einkauf im Supermarkt und der Restaurantbesuch unbedenklich bleiben.

Was die wenigsten wissen: Auch die Kontrolle von Tabakerzeugnissen und Textilien fällt unter unsere Zuständigkeit. Niemand will schlechte Lebensmittel essen, verunreinigten Tabak rauchen oder Hemden tragen, die Hautausschlag verursachen. Da besteht sicher Konsens. Aber um diesen Konsens umzusetzen, sind Kontrollen erforderlich. Und für die Kontrollen sollten entsprechend auch alle Verständnis haben. Das müssen wir ins Bewusstsein rücken. Ich treffe Leute, die gerade einen Betrieb eröffnet haben, und überhaupt nichts von der Existenz der Lebensmittelüberwachung wissen. Die schauen einen dann mit großen Augen an und fragen: „Was wollen Sie denn jetzt von mir?“

Mit dem Privatauto eine Betriebsschließung umsetzen, ist nun wirklich eine Zumutung.

Florian Ackens

Unternehmen die Städte und Kommunen genug, um die Beschäftigten in der Lebensmittelkontrolle zu unterstützen?

In Mönchengladbach fühle ich mich gut unterstützt. Wir haben aktuell ausreichend Personal, sodass wir zu zweit kontrollieren können, wenn wir mit schwierigen Situationen rechnen. Das macht schon sehr viel aus, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Vielerorts in Deutschland ist die Personalsituation angespannt. Mir sind Fälle bekannt, wo Kolleginnen und Kollegen keinen Dienstwagen haben. Mit dem Privatauto eine Betriebsschließung umsetzen, ist nun wirklich eine Zumutung. Das kann man von niemandem erwarten.

Laut Lebensmittel-Zeitung fehlen bundesweit 1.500 Beschäftigte in der Lebensmittelüberwachung. Diese Zahl nennt auch der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK). Welche Schritte sind erforderlich, um den Beruf attraktiver zu machen?

Aus gewerkschaftlicher Sicht muss ich ganz klar sagen: Es hapert an der Bezahlung!

Vor allem die vorgesehenen Entgelt- und Besoldungsgruppen sind ein Problem. Wer in den Job startet, steigt mit der Entgeltgruppe 9a beziehungsweise mit einer A7-Besoldung ein, wenn eine Verbeamtung erfolgt. Das ist je nach Bundesland unterschiedlich. Gemessen an den Eingangsvoraussetzungen, die zu erfüllen sind, ist das zu wenig. Wer in der Lebensmittelkontrolle arbeiten will, braucht einen Meister, Techniker oder mindestens einen Bachelor-Abschluss, um in die Ausbildung zu starten. Alle, die sich dafür entscheiden, sind bereits fertig ausgebildete Fachkräfte. Alleine das rechtfertigt in meinen Augen eine bessere Bezahlung.

Unabhängig von der Bezahlung: Die Eingangsvoraussetzungen sind vergleichsweise hoch. Wäre es nicht sinnvoll, einen direkten Einstieg in die Lebensmittelüberwachung zu schaffen? So ließen sich Personallücken womöglich schneller schließen.

Diese Überlegung gibt es schon länger. Dem stehe ich allerdings skeptisch gegenüber. In der Praxis stellen wir immer wieder fest: Alle Kolleginnen und Kollegen profitieren enorm von den unterschiedlichen Vorbildungen. Diese Tiefe, bezogen auf bestimmte Fachbereiche, könnte eine Ausbildung alleine nicht vermitteln.

Es kommt durchaus vor, dass junge Menschen nach dem Abitur ganz bewusst zunächst Ökotrophologie studieren, um anschließend die Ausbildung in der Lebensmittelüberwachung zu machen. Und die Pandemie hat gezeigt, dass viele Arbeitnehmende mit erforderlicher Vorbildung gerne in die Lebensmittelüberwachung wechseln, weil der öffentliche Dienst Sicherheit bietet. Kurzum: Die hohen Eingangsvoraussetzungen sind nicht das Problem. Mit einer besseren Bezahlung ließen sich allerdings mehr Fachkräfte gewinnen. Vielerorts sind die Kommunen in der Situation, dass sie gezielt Fachkräfte abwerben müssen.

Mehr entdecken. Jobkompass: Wie ein Lebensmittelkontrolleur vergammelte Speisen aus dem Verkehr zieht

Für junge Menschen spielt insbesondere auch ein digitaler Arbeitsplatz eine große Rolle für die Berufswahl. Wie sieht es damit aus?

Bis Ende 2023 sah es da tatsächlich recht gut aus – wir arbeiten stark vernetzt mit Tablets und können Verstöße direkt dokumentieren und Berichte erstellen, und das bundesweit. Allerdings gab es zum Jahreswechsel ein Softwareupdate, das uns massiv ausbremst. Vieles funktioniert nicht mehr so wie vorher. Wir kämpfen mit Abstürzen, können teils Stammdaten nicht mehr abrufen, auch die Synchronisation von Daten klappt nicht mehr zuverlässig. Dadurch sind im Endeffekt weniger Kontrollen möglich.

Die IT arbeitet aktuell die Fehlerliste ab, operiert sozusagen am offenen Herzen. Wenn dieses Problem nicht bestünde, hätte ich antworten können: Im Prinzip sind wir relativ gut digitalisiert! Das gilt dann hoffentlich wieder, wenn die Probleme behoben sind.

Wenn Sie Ihre Forderungen an die Politik kurz und knapp bündeln müssten – was würden Sie sagen?

Digitalisierung professionell umsetzen, Bezahlung aufwerten und dort nachbessern, wo es an der Ausstattung hapert – Investitionen in die Lebensmittelüberwachung kommen allen Menschen zugute, nicht zuletzt auch den Betrieben. Die Bedeutung müssen wir prominenter in der Öffentlichkeit platzieren. Was die zunehmende Gewalt betrifft, muss die Gesellschaft zusammenstehen und deutlich machen, dass sie diese nicht duldet. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn das Pfefferspray nie zum Einsatz kommen muss und ich ohne Sorge vor Übergriffen meinen Job machen kann.

Interview: Christoph Dierking

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