- Die Bundesleitung der dbb jugend fordert Kurskorrekturen nach 100 Tagen Bundesregierung unter Friedrich Merz: Oliver Löwe, Daria Abramov, Felix Reising, Matthäus Fandrejewski und Toni Nickel (von links). Foto: Alex Habenicht
100 Tage Merz Schwarz-Rot hat noch viel zu tun
100 Tage Merz: Was hat die Bundesregierung für den öffentlichen Dienst erreicht? Die dbb jugend zieht eine durchwachsene Bilanz.
Nur noch 29 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit der Großen Koalition zufrieden – das ist der schlechteste Wert seit Amtsantritt. Im Vergleich zum Vormonat ist der Wert um zehn Prozentpunkte gesunken. 69 Prozent der Befragten gaben an, mit der Arbeit von Union und SPD weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden zu sein. Das geht aus dem ARD-Deutschlandtrend hervor (7. August 2025).
Auch die dbb jugend sieht Nachholbedarf. „Der Staat befindet sich aktuell in einer Vertrauenskrise“, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend. „Eigentlich sollte die Regierung alles dafür tun, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Aber leider geht aus den Umfragen eindeutig hervor, dass das Gegenteil der Fall ist.“
Am 13. August 2025 ist die Merz-Regierung 100 Tage im Amt. Das nehmen die jungen Gewerkschafter*innen zum Anlass, um fünf Politikfelder genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mitunter habe ich den Eindruck, dass die Politik die Interessen der jungen Generation aus der Debatte ausklammert.
Matthäus Fandrejewski
1. Rente: Geht alle etwas an!
„Grundsätzlich ist es richtig, dass wir über die Rente sprechen“, sagt Fandrejewski. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer weniger junge Menschen die Renten von immer mehr alten Menschen erwirtschaften müssen. Außerdem bewirkt er, dass junge Menschen bei den Wahlen weniger Einfluss haben.
„Mitunter habe ich den Eindruck, dass die Politik die Interessen der jungen Generation aus der Debatte ausklammert“, beklagt der Vorsitzende der dbb jugend. „Wir brauchen Lösungen, die für alle Generationen fair sind“ – zum Beispiel Lösungen mit kapitalgedeckten Modellen.
Wie es nicht geht? Forderungen, Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, erteilt Fandrejewski eine klare Absage: „Der Staat müsste alle Beamtinnen und Beamten kostspielig nachversichern. Dadurch sparen wir nichts, auch nicht im Sinne der jungen Generation. Neiddebatten bringen uns an dieser Stelle nicht weiter!“
Ebenfalls zynisch sei es, angesichts des drastischen Personalmangels im öffentlichen Dienst Mehrarbeit zu fordern, unterstreicht Fandrejewski. Zumal Beamtinnen und Beamte des Bundes bereits 41 Wochenstunden arbeiten und dies eigentlich nur als Übergangslösung anberaumt war.
Fazit: „Die Beschäftigten in den Ministerien sollten sich nicht mit Scheinlösungen befassen, deren Umsetzung viel Mühe macht. Wir brauchen nachhaltige und tragfähige Konzepte!“
Die Menschen sollen den Behördengang nicht mehr mit Faxgeräten, Zettelwirtschaft und langen Wartezeiten verbinden, sondern mit funktionierenden digitalen Plattformen, digitaler Kommunikation und schnellen Lösungen für ihre Anliegen!
Daria Abramov
2. Ministerium für Staatsmodernisierung: Spürbare Verbesserungen erzielen!
Die Nachricht, dass es künftig ein eigenes Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung geben soll, hat große Erwartungen und Hoffnungen geweckt. „Vor allem, dass wir mit der Digitalisierung endlich schneller vorankommen“, sagt Daria Abramov, Erste stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend. „Die Menschen sollen den Behördengang nicht mehr mit Faxgeräten, Zettelwirtschaft und langen Wartezeiten verbinden, sondern mit funktionierenden digitalen Plattformen, digitaler Kommunikation und schnellen Lösungen für ihre Anliegen!“
Abramov unterstreicht, dass von der Digitalisierung viel abhängt. Die Handlungsfähigkeit des Staates, seine Zukunftsfähigkeit, seine Glaubwürdigkeit. Es sei klar, dass sich ein neues Ministerium nicht über Nacht aufbaut. Aber das sei nicht das Kriterium, an dem die Menschen den Erfolg der Behörde messen.
Fazit: „Ich erwarte, dass Bundesminister Karsten Wildberger und sein Team nach der Sommerpause durchstarten und möglichst schnell spürbare Verbesserungen erzielen!“
Laut Koalitionsvertrag sollten die Mittel um zehn Prozent steigen und anschließend dynamisiert werden. Das steht bislang aus.
Oliver Löwe über den KJP
3. Kinder- und Jugendplan des Bundes: Da geht noch mehr!
Der Kinder- und Jugendschutzplan (KJP) des Bundes ist das zentrale Förderinstrument der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene. Er eröffnet jungen Menschen Chancen auf Bildung, Beteiligung und persönliche Entfaltung – „zum Beispiel, indem er außerschulische Bildungsangebote fördert und Räume für Begegnungen und Demokratieerfahrung schafft“, erklärt Oliver Löwe, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend. „Das ist zumindest das Ideal.“
Der Haushaltsentwurf für 2026 sieht eine Erhöhung der Mittel vor – um 7,5 Millionen auf 251,3 Millionen Euro. „Das klingt auf den ersten Blick gut“, sagt Löwe. „Aber auf den zweiten Blick ist es leider eine Mogelpackung. Laut Koalitionsvertrag sollten die Mittel um zehn Prozent steigen und anschließend dynamisiert werden. Das steht bislang aus.“
Dabei wird das Geld dringend gebraucht: Höhere Preise belasten die geförderten Strukturen extrem, berichtet der Gewerkschafter. Gleichzeitig sei die Arbeit für die Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft so wichtig wie nie zuvor.
Fazit: „Von den Projekten hängt viel ab. Es geht um ein klares Zeichen für eine jugendgerechte Gesellschaft und um Investitionen in die Zukunft kommender Generationen.“
Wir wollen einen Staat, der für die Menschen da ist. Und das setzt voraus, dass Personal da ist.
Toni Nickel
4. Fachkräftemangel: Attraktive Arbeitsbedingungen schaffen!
Aktuell fehlen dem Staat etwa 600.000 Beschäftigte. Das geht aus einer aktuellen Erhebung des dbb hervor. Demnach ist der Mangel vor allem bei Lehrkräften (115.000), Fachkräften in Gesundheit- und Altenpflege (120.600) sowie in den Kommunalverwaltungen (108.500) besonders groß.
„Gerade in diesen Bereichen haben die Menschen viele Berührungspunkte mit dem Staat“, sagt Toni Nickel, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend. „Das Kind muss in die Schule, aber der Unterricht fällt aus. Oma muss ins Krankenhaus, aber die Station ist unterbesetzt. Oder jemand will die neue Wohnung anmelden, bekommt aber keinen Termin auf dem Amt. Da braucht man sich nicht wundern, dass die Menschen mit dem Staat unzufrieden sind.“
Die dbb jugend fordert die Bundesregierung nachdrücklich auf, mehr für einen attraktiven öffentlichen Dienst zu tun. Moderne Arbeitsformen realisieren, die Digitalisierung beschleunigen, Aufgaben bewerten, um verfügbare Ressourcen bestmöglich zu nutzen, lebenslanges Lernen fördern und starre Strukturen durch agile zu ersetzen – all das ist von großer Bedeutung, um die Fachkräfte der Zukunft für den öffentlichen Dienst zu gewinnen, betont Nickel.
Fazit: „Wir wollen einen Staat, der für die Menschen da ist. Und das setzt voraus, dass Personal da ist.“
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Wir fordern ein umfassendes Bekenntnis zum Beamtentum und echte Wertschätzung gegenüber den Staatsdienern!
Felix Reising
5. Bekenntnis zum Berufsbeamtentum: Steht noch aus!
Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), die forderte, dass Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der die Überzeugung vertritt, dass Lehrkräfte nicht verbeamtet gehören. Und ein Forschungsinstitut, das fordert, Beamtinnen und Beamte – gemessen an ihrer Lebenserwartung – länger arbeiten zu lassen.
„Ich frage mich, ob der Bundesregierung die Bedeutung des Beamtentums bewusst ist“, sagt Felix Reising, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend und Zollbeamter.
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Beamtinnen und Beamte gewährleisten, dass der Staat systemrelevante Aufgaben jederzeit zuverlässig erledigen kann. Deshalb dürfen sie auch nicht streiken. Die Erfahrungen aus der Pandemie haben klar gezeigt, wie systemrelevant die Institution Schule ist und es fatal wäre, wenn alle Lehrkräfte ein Streikrecht hätten, so der Gewerkschafter. „Und das Renteneintrittsalter an bestimmte Berufs- oder Statusgruppen zu koppeln, ist völlig absurd“ – dieser Logik zufolge müssten dann auch Nichtraucher länger arbeiten, weil sie eine höhere Lebenserwartung haben.
Fazit: „Die Kolleginnen und Kollegen empfinden es nicht gerade als wertschätzend, wenn sie ständig als Bauernopfer der Politik herhalten müssen“, sagt Reising. „Wir fordern ein umfassendes Bekenntnis zum Beamtentum und echte Wertschätzung gegenüber den Staatsdienern!“
Redaktion: dbb jugend