Frauen in FührungspositionenÖffentlicher Dienst: It’s (still) a man’s world
Im öffentlichen Sektor sind mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Frauen. Der Anteil an weiblichen Führungskräften liegt allerdings weiter deutlich unter 50 Prozent. Die jungen Frauen im Staatsdienst finden das „langsam nicht mehr lustig“.
„It’s still a man’s world“, sagt Daria Abramov: „Obwohl im öffentlichen Dienst mit 61 Prozent deutlich mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Frauen sind, liegt der Anteil an weiblichen Führungskräften weit darunter – auf der ersten Führungsebene bei 37 Prozent, auf der zweiten Führungsebene bei 46 Prozent. Das widerspricht allen Absichtserklärungen und gleichstellungsrechtlichen Regelungen, vor allem aber dem Gleichheitsgrundsatz und dem Gleichstellungsanspruch, die im Staatsdienst eigentlich in besonderem Maße gelten sollten“, kritisiert die stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend, der Spitzenorganisation der gewerkschaftlichen Jugendverbände im öffentlichen Dienst und in den privatisierten Bereichen.
Verbesserungen im Schneckentempo
Aktuelle Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) belegen, dass sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst weiter nur im Schneckentempo verbessert: Seit 16 Jahren herrscht beim Frauenanteil auf der ersten Führungsebene mehr oder weniger Stillstand. „Es ist nur ein schwacher Trost, dass es in der Privatwirtschaft nicht sehr viel besser aussieht“, stellt Daria Abramov fest, die selbst als Teamleiterin von aktuell 17 Mitarbeitenden bei der Stadt Wuppertal arbeitet. Laut IAB ist der Anteil von Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene im öffentlichen Sektor zwar nominell höher als in der Privatwirtschaft. Mit Blick auf ihren Anteil an den Beschäftigten sind Frauen hier aber nicht besser vertreten als in der Privatwirtschaft, auf der zweiten Ebene sogar deutlich schlechter. Der seit vielen Jahren relativ hohe Anteil von Frauen auf der zweiten Führungsebene in Betrieben und in der Verwaltung führte bislang also nicht dazu, dass Frauen häufiger in Spitzenpositionen kommen. „Offensichtlich ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis genug Frauen Erfahrung auf der zweiten Führungsebene gesammelt haben und dann auch in die obersten Führungsetagen aufsteigen“, so Susanne Kohaut vom IAB-Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“.
Auch in den bisweilen beispielgebenden obersten Bundesbehörden steigt der Anteil an weiblichen Führungskräften zu langsam, noch dazu sind die Fortschritte nicht in allen Behörden gleich groß, weil die Frauenförderung nicht überall mit dem gleichen Elan betrieben wird. Laut aktuellem Gleichstellungsindex der Bundesregierung ist der Frauenanteil an Leitungspositionen in den obersten Bundesbehörden zwischen 2020 und 2021 um lediglich zwei Prozent auf 39 Prozent gestiegen. Der Anteil weiblicher Beschäftigter dort liegt hingegen bei 55 Prozent.
Die „Gläserne Decke“ ist kein Märchen
„Deswegen ist die Theorie von den ‚gläsernen Decken‘, die Frauen den Weg in Toppositionen versperren, kein Märchen, sondern ein tatsächliches Muster, dass es zu durchbrechen gilt“, macht Daria Abramov klar. Es müsse endlich Schluss sein mit strukturellen Barrieren wie nicht standardisierten und wenig transparenten Auswahlverfahren bei der Stellenbesetzung. „Auch die Einflussnahme von Netzwerken hat in Auswahlprozessen nichts zu suchen, ebenso müssen Stereotype, die Frauen bewusst oder unbewusst bestimmte Verhaltensmuster wie eine geringere Karriereorientierung oder Belastbarkeit zuweisen, thematisiert werden und raus aus den Köpfen, die über die Besetzung von Positionen entscheiden“, fordert die dbb jugend Vize.
Je größer der Laden, desto weniger Frauen an der Spitze
Auch die Bereiche, in denen Frauen in Führung kommen – oder eben auch nicht – müsse man stärker in den Blick nehmen, betont Abramov. Denn je größer die Einheiten sind, desto geringer ist der Anteil weiblicher Führungskräfte, so das IAB: Bei Größenordnungen von 500 oder mehr Beschäftigten finden sich die wenigsten Frauen an der Spitze. Überdurchschnittlich häufig von Frauen geleitet werden dagegen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie im Bereich Erziehung und Unterricht. „Das sind wohlgemerkt Branchen, die nicht gerade für eine üppige Bezahlung bekannt sind“, betont Abramov, „wo aber die weiblichen Führungskräfte ganz oft auch noch eine besondere Verantwortung tragen, in Krisenzeiten wie etwa der Corona-Pandemie umso mehr.“ Dies sei keine geschlechtergerechte Verteilung von Karriereperspektiven.
Falsche Versprechungen: „Junge Frauen finden das nicht mehr lustig“
Für einen nachhaltigen Wandel müsse daher alles auf den Prüfstand, fordert die stellvertretende dbb jugend Vorsitzende: „Stellenpläne, Ausschreibungen, Auswahlverfahren, Arbeitszeit- und Führungsmodelle und auch die gesetzlichen Regelungen.“ Gerade mit Blick auf letztere stelle sich die Frage, inwieweit diese überhaupt die erwünschte Gleichstellungswirkung erzielten, „denn von einer Vorreiterrolle des öffentlichen Sektors, die man in Anbetracht der dort ja durchaus schon seit Jahren geltenden Gleichstellungsvorschriften vermuten könnte, ist ja leider nichts zu sehen“, hält Abramov fest. Zu hoffen sei, dass das neue Führungspositionen-Gesetz, das erstmals auch Sanktionen bei Nichterreichung von Zielgrößen vorsieht, endlich messbare Verbesserungen bringe – bis 2025 soll die paritätische Besetzung der Führungspositionen in den obersten Bundesbehörden erreicht sein. „Schauen wir mal“, sagt Daria Abramov.
„Zwischenzeitlich müssen wir den Fokus jetzt definitiv auf die Beseitigung der bekannten Karrierehindernisse legen. Denn die jungen Frauen, topqualifiziert und hochmotiviert, finden das langsam nicht mehr lustig, wenn man sie mit dem Versprechen, alles haben zu können – Familie und eine steile Karriere – in den öffentlichen Dienst lockt, sie aber, sobald sie ihre Arbeitszeit etwa nach einer Elternzeit oder wegen eines Pflegefalls reduzieren, immer wieder durchs Beförderungsraster fallen lässt, obwohl sich an der Leistungskurve überhaupt nichts geändert hat“, erklärt Abramov. Ihre Forderungen? „Mehr Transparenz bei den dienstlichen Beurteilungsverfahren, Etablierung geschlechtergerechter Leistungskriterien, Teilzeitmodelle als Standardarbeitsverhältnisse, Ermöglichung von Führen in Teilzeit und Führen nach Teilzeit und eine leistungsorientierte Führungskultur, die Präsenz nicht mit Produktivität gleichsetzt. Eigentlich ganz einfach“, findet die dbb jugend Vize. Bei ihrer Arbeitgeberin hat Abramov die Zukunft immerhin schon täglich vor Augen: Der Eigenbetrieb Wasser und Abwasser Wuppertal wird von einer weiblichen Doppelspitze angeführt – zwei Betriebsleiterinnen teilen sich die Position in Teilzeit. Auch dem Ressort Zuwanderung und Integration im Rathaus sowie dem Eigenbetrieb Alten- und Pflegeheime steht jeweils eine Amtsleiterin vor. „Geht doch“, sagt Daria Abramov.