Ausbildungsvergütungen

Öffentlicher Dienst hat Vorbildfunktion

Foto: Colourbox

Die Ausbildungsvergütungen im öffentlichen Dienst können sich im Branchenvergleich sehen lassen. Doch „der Schein trügt“, warnt der Berufsnachwuchs.

Die höchste Ausbildungsvergütung unter den regelmäßig vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung untersuchten Tarifbranchen wird aktuell im ersten Ausbildungsjahr mit 1.191 Euro (Öffentlicher Dienst: Bund und Gemeinden) bzw. 1.161 Euro (Öffentlicher Dienst: Länder) für die Pflegeberufe gezahlt, die mittlerweile innerhalb der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes über gesonderte Regelungen verfügen. Allerdings gelten diese Ausbildungsvergütungen verbindlich nur für öffentliche Einrichtungen, die unter den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD) oder den Tarifvertrag der Länder (TV-L) fallen.

Im allgemeinen Öffentlichen Dienst liegen die Ausbildungsgehälter knapp hinter denen des Versicherungsgewerbes mit bundeseinheitlich 1.070 Euro, nämlich bei 1.068 Euro (Bund und Gemeinden) bzw. 1.037 Euro (Länder, ohne Hessen, wo ein landeseigener Tarifvertrag, der TVA-H gilt – hier bekommen Auszubildende im ersten Jahr 1.092 Euro). Es folgen

  • die chemische Industrie mit 1.056 Euro im Bezirk Nordrhein und 1.046 Euro im Bezirk Ost,
  • die Metall- und Elektroindustrie mit 1.037 Euro in Baden-Württemberg und 1.007 Euro in Sachsen,
  • das Bankgewerbe mit bundeseinheitlich 1.036 Euro sowie
  • die Deutsche Bahn AG mit bundeseinheitlich 1.020 Euro und
  • die Druckindustrie mit bundeseinheitlich 1.008 Euro.

Im mittleren Feld der Ausbildungsvergütungen bewegen sich zwischen 800 und 1.000 Euro im ersten Jahr die Textilindustrie, das Kfz-Handwerk, der Einzelhandel, das Bauhauptgewerbe, die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie, das private Verkehrsgewerbe, die Süßwarenindustrie, das sächsische Hotel- und Gaststättengewerbe und das Gebäudereinigungshandwerk. Die niedrigsten Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von zum Teil deutlich unter 800 Euro im Monat finden sich in der Landwirtschaft, dem Backhandwerk, der Floristik und dem Friseurhandwerk. Das Schlusslicht bildet mit 585 Euro die ostdeutsche Floristik, die sich damit auf dem Niveau der aktuell gültigen gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung bewegt.

Angehende Beamtinnen und Beamten werden entsprechend der für sie jeweils geltenden Besoldungsgesetzgebung bezahlt – mit dem Bund und den 16 Bundesländern gibt es hier 17 verschiedene Rechtskreise und entsprechend 17 unterschiedliche Regelungen zu den Anwärterbezügen. Beim Bund beträgt der Anwärtergrundbetrag im mittleren Dienst 1.307 Euro, im gehobenen Dienst 1.558 Euro und im höheren Dienst 2.388 Euro. Berlin zahlt angehenden Beamtinnen und Beamten in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 8 1.268 Euro, in A 13 1.517 Euro. In Nordrhein-Westfalen sind es für A 5 bis A 8 1.349,78 Euro, in A 13 1.583 Euro. 

Abwärtswettbewerb wäre der „Holzweg“

„Rein nominell betrachtet, können sich die Ausbildungsvergütungen im öffentlichen Dienst sehen lassen. Aber der Schein trügt“, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend, mit Blick auf die aktuelle Statistik. Fakt sei, dass etwa die Anwärterbezüge im Beamtenbereich seit 1975 wiederholt teilweise massiven Kürzungen unterworfen worden waren, „die wir strukturell immer noch mitschleppen. Nur, weil die Ausbildungsvergütungen im öffentlichen Dienst aktuell die höchsten Beträge im Branchenvergleich darstellen, heißt das noch lange nicht, dass das reicht und nachhaltig attraktiv ist“, stellt Fandrejewski klar. Grundsätzlich müssten alle Arbeit- und Dienstgebenden egal in welcher Branche die Zeichen der Zeit erkennen und beim Gehalt für den Berufsnachwuchs deutlich drauflegen. „Allein durch attraktive Ausbildungsbedingungen – dazu gehört insbesondere die Bezahlung während der Ausbildung – können junge Menschen als Arbeitskräfte gewonnen und die Nachwuchsfrage und der Fachkräftemangel gelöst werden. Jungen Menschen muss es möglich sein, finanziell unabhängig und gesichert leben zu können. Sie müssen sich voll und ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren können.“ Dies gelte insbesondere für den öffentlichen Dienst als größten Arbeitgeber in Deutschland. „Im Beamtenbereich müssen die Kürzungen der Vergangenheit kompensiert und Anpassungen vorgenommen werden, die zu einem realen Einkommenszuwachs führen – auch und gerade in Zeiten der enormen Inflation“, fordert der dbb jugend Vorsitzende. „Dass die Tarifergebnisse grundsätzlich inhalts- und zeitgleich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden, versteht sich von selbst“, betont Fandrejewski.

Auch im Tarifbereich dürfe es weiterhin keine Abkopplung der Auszubildendenvergütungen von den allgemeinen Vergütungserhöhungen geben. „Einmalzahlungen und lineare Erhöhungen müssen für die jungen Nachwuchskräfte ebenso umgesetzt werden wie für die übrigen Beschäftigten. Um die geringere Auswirkung einer linearen Erhöhung abzufedern, halten wir die Vereinbarung von Sockelbeträgen für geeignet.“ Fandrejewski warnt: „Wer in Zeiten des demografischen Wandels und der zunehmenden Überalterung der Arbeitswelt meint, bei den Ausbildungsvergütungen einen Abwärtswettbewerb einläuten zu können, ist auf dem Holzweg. Gehalt ist und bleibt der wichtigste Faktor bei der Jobsuche, erst dann kommen weitere Attraktivitätsmerkmale wie Arbeitsort, Betriebsklima, Jobsicherheit und Vereinbarkeit ins Spiel. Dementsprechend müssen die Signale von Dienst- und Arbeitgebenden Richtung Nachwuchs kommen.“ Der öffentliche Dienst habe dabei eine wichtige Vorbildfunktion, „der er sich nicht entziehen darf“, mahnt der dbb jugend Chef. „Der Staat sollte als Arbeitgeber vorangehen und vormachen, wie man mit attraktiven Gehältern plus modernen Arbeitsbedingungen junge Talente gewinnt.“