• Grafik zum Thema Mental Load, die eine Frau zeigt, die mehrere Teller auf Stöcken jongliert. Auf den Tellern liegen Büro- und Haushalts- und Familien-Utensilien, die die verschiedenen Aufgaben der Frau symbolisieren.
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Arbeit besser aufteilen

Mental Load: Who cares?

Noch während der Arbeit im Job rattert im Kopf schon die nächste Check-Liste: Zahnarzt-Termin, Geburtstagsgeschenk besorgen, Mutter anrufen, einkaufen, Salat für die Wochenend-Party - Mental Load is calling!

Wenn dann auch noch kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige im Spiel sind, werden die unsichtbaren To-dos – der so genannte Mental Load – bei vielen Paaren zur massiven Belastung, die auf Dauer gesundheitlichen Schaden anrichten kann. Die Diplom-Psychologin Patricia Cammarata, Autorin des Buchs „Raus aus der Mental Load-Falle“, erklärte im Dezember 2021 im „AOK-Gesundheitsmagazin“, was genau unter Mental Load zu verstehen ist:

„Am besten lässt es sich als Projektmanagement beschreiben. Wenn man sich die Sorgearbeit als Eisberg vorstellt, gibt es einerseits den sichtbaren Teil der Aufgaben über der Wasseroberfläche, den sich viele Paare schon ganz gut untereinander aufteilen. Andererseits gibt es den unsichtbaren Teil unter der Wasseroberfläche. Dieser unsichtbare Teil ist die mentale Denkarbeit, die dafür sorgt, dass Sachen überhaupt erledigt werden. Dazu gehört Bedürfnisse antizipieren, Optionen abwägen, Entscheidungen treffen, Abarbeitungsstand kontrollieren.“

Frauen besonders belastet

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist klar, dass es meistens Frauen sind, die bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit leisten. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte 2022 eine Statistik, die zeigte, dass im Pflegebereich etwa vier von fünf Erwerbstätigen Frauen sind. Bei der unbezahlten Sorgearbeit im privaten Bereich sieht es ähnlich aus: Laut Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wenden Frauen täglich durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer – diese ungleiche Arbeitsverteilung im privaten Haushalt nennt sich „Gender Care Gap“.

Der „Gender Care Gap“ sowie die strukturelle Verteilung von Frauen auf in der Regel niedriger bezahlte Care-Branchen (Pflege, Kinderbetreuung) des Arbeitsmarkts gelten als mitursächlich für den „Gender Pay Gap“: Das ist die geschlechtsspezifische Lohnlücke, die in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 18 Prozent beträgt (Stand 7. März 2022) – das heißt, Männer verdienen durchschnittlich 18 Prozent mehr als Frauen.

Der Mental Load als wesentlicher Bestandteil der Care-Arbeit ist nun eine Last, die insbesondere berufstätige und hier vor allem auch alleinerziehende Frauen zunehmend nicht mehr schultern können – chronische Überlastung und Erkrankungen wie Burn-out sind die Folge. Die SPD-Politikerin Renate Schmidt, einstige Bundesfamilienministerin, prägte dazu den Satz: „Wenn wir versuchen, 100-prozentige Mütter, 100-prozentige Partnerinnen, 100-prozentige Berufsfrauen zu sein, dann sind wir innerhalb kürzester Zeit 300-prozentige Wracks.“ Wie also lässt sich das Problem des Mental Load entschärfen?

Eindeutig durch eine bessere Sichtbarmachung und Aufteilung der gesamten Arbeit, sagen die Expertinnen und Experten.

Was Hänschen und Gretchen nicht lernen…

Es beginnt mit Prägungen in frühester Kindheit: Dass in der Regel Frauen vom Mental Load betroffen sind, liegt mit an der noch immer unterschiedlichen Sozialisation der Geschlechter. Während die Gesellschaft Frauen weiterhin überwiegend darauf prägt oder es ihnen allgemein zuschreibt, für Haushalt und Familie verantwortlich zu sein, werden Männer hingegen so erzogen oder gesehen, dass es in ihrer Verantwortlichkeit liegt, das Geld zu verdienen.

Dieses „Bias“, also die unbewusste oder bewusste Verzerrung der tatsächlichen Gegebenheiten, muss im Idealfall schon im Verhalten von Eltern vor ihren Kindern erkannt und aufgebrochen werden. Das geht durch bewusste Kommunikation und entsprechendes Verhalten – die Sichtbarmachung und gerechte Aufteilung aller Arbeiten. So kann der Nachwuchs die ausgewogene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern als natürlich empfinden und von Beginn an miterleben und leben. Denn es ist bei Weitem nicht so, dass sich Frauen „von Natur aus“ besser mit dem Kochen oder der Kinderbetreuung auskennen. Auch sie müssen sich wie Männer diese Kompetenzen erst aneignen. Umgekehrt können Frauen ebenso Geld verdienen wie Männer. Warum auch nicht?

Das Unsichtbare sichtbar machen

„Das Wichtigste ist: Das Unsichtbare sichtbar machen“, sagt Expertin Cammarata. Sich also zu fest verabredeten Terminen (einmal pro Woche, vielleicht am Sonntag mit Blick auf die nächste Woche) zusammen hinsetzen und schauen, welche Aufgaben anfallen und wer was übernimmt. Außerdem sollten die Partner darüber nachdenken, welche Tätigkeiten aus Gewohnheit übernommen werden, ohne das zu hinterfragen. Oft könne das schon sehr aufschlussreich sein. Und selbst wenn eine fifty-fifty-Aufteilung wahrscheinlich in den seltensten Fällen exakt gelingt, werden die die Tätigkeiten so sichtbar, und die Partnerin/der Partner kann „Danke“ sagen. Das bewegt schon sehr viel. Manchmal kann es auch hilfreich sein, tatsächlich Stunden aufzuschreiben und gegeneinander aufzurechnen, etwa, wenn eine/einer in Vollzeit und eine/einer in Teilzeit arbeitet. Denn vor allem bei der Betreuung kleiner Kinder kommt es schnell dazu, dass man trotz Teilzeit pro Woche 20 Stunden mehr arbeitet als der Mann – Stichwort unbezahlte Care-Arbeit, in der es oft keinen Feierabend gibt, sondern Abend-, Nacht- und Wochenendeinsätze.

Bei der Aufteilung der Arbeit sollten nicht nur Aufgaben oder Tätigkeiten, sondern ganze Prozesse in die jeweilige Zuständigkeit fallen. Cammaratas Beispiel: „Am Donnerstag muss das Mittagessen für die Kinder in der Schule bestellt werden. Die Mutter sollte ihren Partner nicht donnerstags daran erinnern, dass er das Essen bestellen muss, sondern in Kauf nehmen, dass die Bestellung auch einmal nicht rausgeht. Wenn die Kinder sich dann beschweren, weil sie nicht ihr Wunschgericht bekommen haben, sollte sie auf den Papa verweisen, der ab jetzt für ihr Mittagessen zuständig ist.“

Gehaltsdifferenz ist kein Argument

Die Gehaltsdifferenz zwischen Partnern sollte grundsätzlich kein Argument gegen eine gleichberechtigte Aufteilung der Arbeit sein, denn so wir das niedrigere Einkommen quasi dauerthaft zementiert. Natürlich ist das ein harter Weg, die Wertschätzung, Zufriedenheit und Beziehungsqualität sollte es allen wert sein. Ein Hebel könnte schließlich auch die Reduktion der Erwerbstätigkeit der/des besserverdienen Partnerin/Partners sein – schon wenige Stunden weniger Arbeit und mehr Familienzeit können ein weiterer Baustein auf dem Weg aus der Mental-Load-Falle sein.