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    Polizeikräfte haben das bunte Treiben der Fans stets im Blick, die Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt. Foto: cdi/dbb
  • Die ersten Polizisten nehmen das Angebot der JUNGEN POLIZEI dankbar an. Foto: cdi/dbb
  • Das Küchenteam: Svenja-Olympia Swoboda und Daniel Heyer. Foto: cdi/dbb
  • Crêpe gefällig? Foto: cdi/dbb
  • Oder doch lieber Wurst und Patch? Foto: cdi/dbb
  • Der erste Crêpe war zum Üben, danach geht's am Eisen sehr routiniert zu. Foto: cdi/dbb
  • Yannick Klein schneidet die Brötchen auf. Foto: cdi/dbb
  • Der Mann am Grill: Daniel Heyer. Foto: cdi/dbb
  • Viele albanische Männer tragen die Qeleshe, eine traditionelle Kopfbedeckung aus Filz. Foto: cdi/dbb
  • Italienische Fans vor dem Westfalenstadion: Bitte lächeln! Foto: cdi/dbb
  • Mit dem Wagen auf den Stadionparkplatz? Yannick Klein und Svenja-Olympia Swoboda klären, was möglich ist. Foto: cdi/dbb
  • Die Patches sind gefragt. Foto: cdi/dbb
  • Von der Kräftesammelstelle zum Einsatzort: Angehörige einer Hundertschaft machen sich auf den Weg. Foto: cdi/dbb
  • Auch hier werden die Patches dankbar angenommen. Foto: cdi/dbb
  • Das Design der Patches hat Yannick Klein gemeinsam mit einem Kooperationspartner entwickelt. Foto: cdi/dbb
  • Benoît Loose (mittig) und sein Team haben Getränke, Snacks und Patches unter die Leute gebracht. Foto: cdi/dbb
  • Sind zufrieden mit der Aktion: Julia Fritsch, Landesjugendleiterin der JUNGEN POLIZEI NRW, und Simon Köchling. Foto: cdi/dbb

GroßveranstaltungenJUNGE POLIZEI setzt Zeichen gegen schlechte Einsatzversorgung

Essen, trinken, mal durchschnaufen – logisch, dass das bei der Polizei in manchen Situationen nicht möglich ist. Mehr tun könnte der Dienstherr dennoch, findet die Jugend der Deutschen Polizeigewerkschaft und ergreift zur EM selbst Initiative.

So richtig gelingen will der erste Crêpe nicht, aber Svenja-Olympia Swoboda nimmt es mit Humor: „Die Kollegen sind ja die Verpflegungsbeutel gewohnt, da wird sie mein Crêpe nicht umbringen“, sagt die 26-jährige Autobahnpolizistin und lacht. Bei der zweiten Portion verteilt sich der Teig schon besser auf dem Eisen, der Duft lockt Leute an.

Dortmund, früher Abend, später wird Albanien gegen Italien spielen: Viele Fans sind schon im Westfalenstadion, eben ist der Bus der italienischen Mannschaft eingetroffen. Jetzt wird es noch einmal etwas ruhiger. Polizistinnen und Polizisten nutzen die Möglichkeit und kommen zum Parkplatz, auf dem ein Versorgungspunkt – im Fachjargon: eine Kräftesammelstelle – eingerichtet ist. Dort können sie etwas essen, kurz verschnaufen, zur Toilette gehen.

Dass es heute einen Wagen gibt, aus dem Würstchen, Crêpes und Getränke serviert werden, ist keine Selbstverständlichkeit. Organisiert haben ihn Julia Fritsch, Svenja-Olympia Swoboda und Yannick Klein von der Landesjugendleitung der JUNGEN POLIZEI in Nordrhein-Westfalen. Allen voran wollen sie ihren Kolleginnen und Kollegen etwas Gutes tun. Es geht ihnen aber ebenfalls darum, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen teils dürftige Versorgung von Polizeikräften bei Großeinsätzen.

Einige Stunden zuvor, 16 Uhr, Treffpunkt ist das Polizeipräsidium: Zwei Kleinbusse stehen bereit, außerdem ein weißer PKW, der Anhänger mit Grill und Crêpes-Eisen ist schon angekoppelt. Kanister mit Eistee, frische Brötchen, Gläser mit Nutella, alles muss jeweils noch ins richtige Fahrzeug. „Wir teilen uns auf, damit wir so viele wie möglich versorgen können“, sagt Julia Fritsch und schiebt eine große Kiste in den Kleinbus. Dann drückt die Landesjugendleiterin allen einen Beutel mit Croissant, Brötchen, Apfel und Süßigkeiten in die Hand, damit auch das Versorgungsteam gut versorgt ist.

Mit dabei sind 15 Freiwillige. Die Aktion unterstützen sie in ihrer Freizeit, denn für die Polizei in Nordrhein-Westfalen gilt – wie auch in manchen anderen Bundesländern – für die Zeit der Europameisterschaft eine Urlaubssperre. „Trotz der Arbeitsbelastung haben sich extrem viele gemeldet, die helfen wollten“, erzählt Fritsch. „So viele, dass wir die Hilfe von allen gar nicht annehmen konnten. Mit so einer großen Resonanz haben wir nicht gerechnet, wir sind total überwältigt und dankbar.“

Den richtigen Ort finden

Die Aktion haben die jungen Gewerkschafter zuvor in den Sozialen Medien angekündigt und in Dortmund erstmals auf die Beine gestellt, bundesweit veranstaltet die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) vergleichbare Aktionen. Wenn es an der Versorgung hapert, können die Einsatzkräfte eine Nachricht schreiben und ihren Standort schicken. Alternativ rufen sie einfach die angegebene Nummer an.

Schon jetzt sind Nachrichten eingetrudelt, schon jetzt klingelt das Handy. Das erste Team macht sich auf den Weg, um Trinken und Snacks vorbeizubringen. Und auch das andere Team bricht auf, gefolgt vom PKW mit dem Wurstwagen. Der Plan: einen Ort finden, wo möglichst viele Einsatzkräfte von der Versorgung profitieren können. Es herrscht dichter Verkehr, manchmal geht es nur sehr langsam voran. Der Fußball hat Dortmund an diesem Samstag fest im Griff.

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Bereits am frühen Nachmittag rasen hupende Autokorsos durch die Stadt. Am Hauptbahnhof wirkt es mitunter, als hätte Albanien ein Heimspiel – Medienberichten zufolge sind bis zu 70.000 albanische Fans vor Ort, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Überall flattert die rote Fahne mit dem zweiköpfigen, schwarzen Adler im Wind. Männer tragen die Qeleshe, eine traditionelle albanische Kappe aus Filz. Bässe wummern aus mitgebrachten Boxen, Familien schießen Selfies auf der Treppe am Platz der Deutschen Einheit, die mit Kunstrasen dekoriert ist. Der grüne Teppich leitet die Fans durch ein mächtiges Tor mit dem Schriftzug „Welcome to Dortmund“ in die Innenstadt. Nach und nach kommen auch immer mehr italienische Fans an. Einige tragen römische Legionärshelme mit roten Federbüschen – auffällige Kopfbedeckungen sind heute präsent.

Hooligans erkannt, Eskalation verhindert

Die Polizei hat das bunte Treiben genau im Blick, die Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt, die Sorge vor gewaltsamen Ausschreitungen und Terror groß. Am Himmel zieht ein Hubschrauber seine Kreise, eine Reiterstaffel ist im Einsatz, außerdem zahlreiche Polizeimotorräder, die auch in dichtem Verkehr auf der Straße flexibel bleiben. In regelmäßigen Abständen stehen kleine Gruppen von Beamtinnen und Beamten, unter ihnen Polizeikräfte aus Italien und Albanien. Die Italiener haben vor ihrem hellblauen Mannschaftsbus einen Pavillon aufgebaut, suchen den Kontakt zu italienischen Fans. Laut Bundesinnenministerium unterstützen während der Europameisterschaft 850 Polizistinnen und Polizisten aus dem Ausland die deutsche Polizei.

Wie lange alle Kräfte heute im Einsatz sind, lässt sich nicht planen – alles richtet sich nach dem aktuellen Geschehen. Noch vor Anpfiff zeigt sich, dass das massive Aufgebot seine Berechtigung hat: Szenekundige Beamte identifizieren gewaltbereite italienische Hooligans, die sich offenbar mit albanischen Fans schlagen wollen. Die Polizei reagiert rechtzeitig, ein Gefangenenbus rückt an, mehr als 50 Männer müssen die Partie in Gewahrsam verbringen, statt im Stadion.

Später noch zum Nachtdienst

In der Regel können die Beamtinnen und Beamten bei Großereignissen nicht einfach Pause machen – deshalb kommt die Pause heute zu ihnen, der Kleinbus steuert den Dortmunder Friedensplatz an. Zumindest ist das der Plan, aber gerade geht es nicht voran.

„Boa, da müsste man einschreiten, hier geht ja gar nichts mehr“, sagt Simon Köchling und blickt kopfschüttelnd vom Rücksitz aus dem Fenster. Albanische Fans blockieren die Kreuzung. „Feiern gehört ja dazu, aber das ist jetzt schon eine massive Verkehrsbehinderung.“ Doch in diesem Fall sind die Kollegen am Zug. Köchling, der sich seit Anfang des Jahres bei der JUNGEN POLIZEI engagiert, ist schließlich in einem anderen Auftrag unterwegs. „Für mich war es selbstverständlich, dass ich bei der Aktion mitmache“, sagt der 31-Jährige aus Hamm, der später noch zum Nachtdienst muss. „Zum einen, weil ich es wichtig finde, als Gewerkschaft Präsenz zu zeigen. Und zum anderen, weil ich mich natürlich auch freuen würde, wenn jemand kommt und mich versorgt.“

Tatsächlich ist die Freude auf dem Dortmunder Friedensplatz groß. Dankbar nehmen die Beamtinnen und Beamten Kakao und Eistee entgegen – „so einen Service gibt’s selten“, kommentiert ein Polizist, der eine Weste mit neongelben Reflektoren trägt. Die jungen Gewerkschafter drücken ihm noch ein Patch in die Hand, das sich auf der Dienstkleidung befestigen lässt und auf den aktuellen Einsatz hinweist. Es zeigt einen Beamten im Stadion mit einem Fußball in der Hand.

Das Design hat Yannick Klein, Mitglied der Landesjugendleitung, gemeinsam mit einem Kooperationspartner erstellt. „Patches gibt es bei vielen Großveranstaltungen, sie sind eine schöne Erinnerung“, erzählt der 24-Jährige. „Schließlich gibt’s auch bei der Polizei Fußballfans“ – nicht zuletzt ihn selbst. Persönlich sieht er kein Problem darin, Job und Fan-Dasein unter einen Hut zu bringen. „Man muss das eben klar trennen. Dienst ist Dienst, Freizeit ist Freizeit.“

Ob der Friedensplatz ein guter Ort ist, um Wurst und Crêpes auszugeben? Das Freiwilligenteam entscheidet sich letztlich dagegen. Auf geht’s durch die Stadt in Richtung Stadionparkplatz, wo sich voraussichtlich zahlreiche Einsatzkräfte aufhalten werden.

Es kommt vor, dass Einsatzkräfte in Turnhallen oder Autos schlafen müssen.

Julia Fritsch, Landesjugendleiterin der JUNGEN POLIZEI NRW

Manchmal regnet es in Strömen, manchmal brennt die Sonne vom Himmel – vor allem letzteres ist mit Blick auf schwere Schutzkleidung und Ausrüstung eine Herausforderung.

„Bei Großveranstaltungen sind die Einsatzkräfte immer der Witterung ausgesetzt“, betont Julia Fritsch. „Wenn es etwas zu tun gibt, kann es körperlich und mental schon sehr anstrengend werden. Aber das gilt mitunter auch, wenn es nichts zu tun gibt. Dann steht man über Stunden einfach nur da.“ Mal was trinken? Das kann nur, wer noch etwas dabeihat. Mal zur Toilette? Geht oft nicht. Und essen? Die Verpflegung, die der Dienstherr bereitstellt, ist häufig unzureichend und wenig nahrhaft, berichtet die Landesjugendleiterin. „Insgesamt müsste da schon mehr möglich sein.“ Wobei es natürlich auch positive Beispiele gebe.

Da nie vorhersehbar ist, wie sich Einsätze entwickeln, steht gegebenenfalls die Frage der Unterbringung im Raum. Aus fünf Stunden können durchaus zwei Tage werden.

„Wir erwarten, dass sich der Dienstherr um Backups kümmert“, unterstreicht die junge Gewerkschafterin. „Beispielsweise, indem er mit Hotels kooperiert. Es kommt vor, dass Einsatzkräfte in Turnhallen oder Autos schlafen müssen. Da entsteht schnell das Gefühl mangelnder Wertschätzung.“

Unabhängig von der Arbeitsbelastung und Problemen mit schlechter Versorgung können die jungen Polizeikräfte Großveranstaltungen wie der Europameisterschaft einiges abgewinnen. „Wir knüpfen viele neue Kontakte“, sagt Fritsch. „Und es ist immer wieder interessant, was Kollegen aus anderen Bundesländern so berichten. Die Polizei ist wie eine große Familie.“

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Es ist angerichtet!

Ohne Blaulicht dauert’s eben länger, doch schließlich kommen Kleinbus, PKW und Wurstwagen auf dem Stadionparkplatz an. Dort parken die Pferdeanhänger der Reiterstaffel, Transporter einer Hundertschaft, außerdem gibt es einen Startpunkt für Polizeidrohnen. Und im Nu auch einen Wagen, wo sich hungrige Einsatzkräfte versorgen können.

Daniel Heyer, Polizeihauptkommissar, ist der Mann am Grill. Mit der Zeit kommen immer mehr hungrige Einsatzkräfte. Passend, dass nun auch der zweite Kleinbus den Parkplatz erreicht. „Wir haben alles verteilt, es hat sich schnell herumgesprochen, dass wir unterwegs sind“, erzählt Benoît Loose, der mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen ist. Der Spaß an der Aktion ist ihm anzumerken. Und die Landesjugendleitung ist sichtlich zufrieden, dass alles klappt.

Am folgenden Tag soll die Aktion ebenfalls in Gelsenkirchen stattfinden, wenn Serbien gegen England spielt. Auch dort werden die Einsatzkräfte dankbar sein. Das legen zumindest die Gesprächsfetzen nahe, die sich in der Warteschlange aufschnappen lassen: „Ich halte hier auf dem Rückweg noch einmal an“, sagt ein Polizist. Sein Kollege: „Ne, ich will jetzt schon ’ne Wurst, hab‘ Hunger.“ Ein anderer meint: „Wurst? Geil! Keine Lust auf meine Spaghetti …“

Dank an Sponsoren. Die Gelder für die ausgegebenen Speisen, Getränke und Patches stammen aus Mitteln der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Doch ohne das Reiseunternehmen Nickel in Gelsenkirchen, das die Kleinbusse zur Verfügung gestellt hat, wäre die Aktion nicht möglich gewesen, unterstreicht die JUNGE POLIZEI. Ein großer Dank geht auch an das Team von „Everybuddy Nutrition“, das die Aktion unterstützt und begleitet hat.

Text: Christoph Dierking