Daseinsvorsorge
Junge Mobilität: Weniger Auto, mehr ÖPNV
Mobilitätswende im Anmarsch: Die Gen Z will weniger Auto, mehr ÖPNV, Fahrrad und Shared Mobility. Um das Angebot zu befriedigen, ist die Daseinsvorsorge gefragt. Denn Mobilität ist gerade für jüngere Menschen weit mehr als bloß der Weg von A nach B.
„Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für Inklusion, Selbstbestimmung, Emanzipation und Partizipation aller jungen Menschen. Die Möglichkeit, sich eigenständig fortbewegen zu können und dabei über Anlass, Ort, Zeit, und Verkehrsmittel selbst zu entscheiden, ist sowohl ein wichtiger Entwicklungsschritt, als auch die Voraussetzung für ihre gesellschaftliche Teilhabe. Alltagswege zur Schule, zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, Studium oder zu Freizeitaktivitäten, zum Treffen von Freund*innen und Familienmitgliedern sind hierbei ebenso von Bedeutung wie Reisen oder Wohnortwechsel“, heißt es in der aktuellen Position Junge Menschen bewegen - Eine nachhaltige Mobilitätswende für alle! (dbjr.de) des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) zum Thema Mobilität. Stärker als für alle anderen Bevölkerungsgruppen sei Mobilität für Kinder und Jugendliche ein Schlüssel für Bildung, neue Erfahrungen und die Entwicklung ihrer Kompetenzen. „Räumliche Mobilität ist hierbei die Voraussetzung für soziale Mobilität. Ohne Fortbewegung gibt es auch keine gesellschaftliche Bewegung im Sinne des Abbaus von Benachteiligung und Ermöglichung von sozialem Aufstieg“, betont der DBJR, Spitzenverband der Jugendorganisationen in Deutschland.
Auslaufmodell Auto
Die junge Generation hat ziemlich klare Vorstellungen, wie „ihre“ Mobilität in Zukunft aussehen soll. Das eigene Auto ist jedenfalls ein Auslaufmodell. Das legt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey nahe. Sie hat ermittelt, dass Menschen unter 30 Jahren immer weniger nach Autos streben und dafür in Zukunft alternative und innovative Modelle bevorzugen.
Der Trend zum eigenen Pkw kehrt sich langsam aber sicher um. Seit 2020 ist die Zahl der Neuzulassungen – freilich auch pandemie- und inflationsbedingt – eingebrochen. 2021 wurde mit nur 2,62 Millionen neu zugelassenen Pkw der tiefste Stand seit mehr als 30 Jahren erreicht.
Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey legt nahe, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren verstärken dürfte. Die Forscher befragten 4.000 Menschen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, wie sie sich heute fortbewegen und welche Arten der Mobilität sie für die Zukunft planen. Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Generationen. Besitzen 77 Prozent der über 45-Jährigen ein eigenes Auto, sind es nur 42 Prozent derjenigen unter 30 Jahren. Entsprechend höher liegt der Anteil der ÖPNV-Nutzer bei den Jüngeren – 20 zu 9 Prozent. Die Gen Z, zwischen 1995 und 2010 Geborene, strebt gar nicht mehr nach dem eigenen Auto. Nur 32 Prozent der Befragten unter 30 Jahren gaben an, in Zukunft mit dem eigenen Auto fahren zu wollen. 31 Prozent sagen, sie wollen das nicht. Und wenn Auto, geht der Trend eindeutig zum klimafreundlichen Elektromobil und kleineren Modellen.
Mikromobilität und Shared Mobility
Andere Fortbewegungsarten sind deutlich beliebter bei den Jüngeren. 43 Prozent der jungen Menschen mehr Busse und Bahnen nutzen, 41 Prozent mehr „Mikromobilität“, also etwa Fahrräder und E-Scooter. Selbst die Jüngeren, die noch nach einem eigenen Auto streben, haben eine bestimmte Vorliebe: Für 50 Prozent soll es mittlerweile ein voll elektrisch betriebener Wagen sein. Zudem sind kleinere Autos großen SUVs gegenüber beliebter. Die Studie vermutet, dass der Wandel nicht nur mit einem höheren Umweltbewusstsein zu tun hat, sondern auch mit praktischen Erwägungen: Die Menschen sind zunehmend an die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs, von Fahrrädern oder etwa E-Scootern gewohnt, weil Großstädte und Ballungsräume seit Jahrzehnten anwachsen, während ländliche Gebiete vereinsamen. In den meisten Großstädten ist ein eigenes Auto heute oft eher hinderlich als hilfreich – Stichwort Parkplatzproblematik, und die allermeisten Ziele lassen sich per pedes, auf dem Zweirad, Roller oder mit Bus und Bahn erreichen. 32 Prozent der Jüngeren wollen laut McKinsey-Studie in Zukunft ebenso stärker auf „shared mobility“ setzen wie Taxis, Car-Sharing oder Mobilitätsdienstleister wie „Uber“ und „FreeNow“.
To Dos für die Daseinsvorsorge
Für die staatliche Daseinsvorsorge ergeben sich aus den aktuellen Erkenntnissen über die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft eine Reihe von To Dos, die die Politik nun in Angriff nehmen muss: Angefangen bei der Unterstützung und Förderung der entsprechenden Technologien und Mobilitätsformen geht es vor allem um den nachhaltigen Ausbau der Verkehrsnetze für Bus, Bahn, Radfahrende und Fußgänger, lokal, regional und bundesweit, sowohl in Städten und Ballungszentren als auch im ländlichen Raum. Denn vor allem dort ist der ÖPNV noch immer nur mäßig vertreten, und auch Fahrdienste oder Carsharing-Angebote sucht man dort oft vergeblich, so dass das eigene Auto „auf dem Land“ bislang meist unverzichtbar ist, obwohl sich viele, vor allem jüngere Menschen, Alternativen wünschen.
Junge Menschen mobilisieren und an Mobilitätsplanung beteiligen
„Immer wenn es darum geht, wie Mobilität organisiert werden soll, müssen junge Menschen strukturell beteiligt werden“, fordert der DBJR entschieden. Für ihn gehört insbesondere im ländlichen Raum Erreichbarkeit zur obligatorischen Daseinsvorsorge. Insgesamt gebe es dort für den Nachwuchs viel zu wenige Möglichkeiten, selbst Fußwege seien zum Teil nur schlecht ausgebaut, Radwege führten – sofern vorhanden – an größeren Straßen entlang, seien unbeleuchtet und im Winter eigentlich nicht befahrbar, der ÖPNV koste relativ viel, und außerhalb der „normalen“ ÖPNV-Zeiten seien beispielsweise Taxibusse nicht niedrigschwellig genug. Forderungen der Spitzenorganisation der Jugendverbände für eine Verbesserung der Mobilitätssituation sind daher etwa eine Bahncard Jugend 100 und kostenloser ÖPNV für Schüler*innen und Ehrenamtliche, E-Bike-Leihstationen und ein flächendeckender Ausbau der Netze.
„Viele Grund- und Menschenrechte würden ohne die Möglichkeit von Mobilität ins Leere laufen. Kinder und Jugendliche haben allerdings nicht die gleichen Rechte und Chancen mobil zu sein wie Erwachsene. So können sich junge Menschen – bis zu einem gewissen Alter – ihren Wohnort nicht selbst aussuchen. Oder sie haben nur einen geringen Einfluss auf die sozioökonomische Situation in ihrem Lebensumfeld und damit auf die Ausgaben, die für ihre Mobilität zu Verfügung stehen“, macht der DBJR deutlich, und daher seien sie schlicht auf den ÖPNV, Fuß- oder Fahrradwege bzw. den Shuttledienst Erwachsener angewiesen. Gleichzeitig würden sie kaum in politische Entscheidungsprozesse einbezogen, die ihre Mobilität betreffen. Auch für Jugendliche, die sich ehrenamtlich engagierten, sei Mobilität zwingend notwendig. Um für all diese Bedarfe an eine ökologische, soziale, partizipative, gesunde, sichere, barrierefreie und ehrenamtsfreundliche Mobilität zu erfüllen und umzusetzen, fordert der DBJR „den Aufbau bzw. die Dynamisierung von Förderinstrumenten, die es jungen Menschen, insbesondere aus bestehenden, selbstorganisierten Strukturen erleichtert, sich an Stadt- und Verkehrsplanungsverfahren zu beteiligen“.