Cybermobbing

Immer mehr Attacken auf Jugendliche

Foto: Colourbox

WhatsApp, Instagram oder TikTok – nicht nur News und Trends verbreiten sich schnell in sozialen Netzwerken, auch Anfeindungen und Beleidigungen. Immer mehr Jugendliche werden Opfer von Cybermobbing, geht aus aktuellen Studien hervor. Die Folgen sind weitreichend.

Jeder zweite Teenager kennt jemanden aus seinem eigenen Umfeld, der bereits in Messengern oder sozialen Netzwerken Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht hat. Das ist ein Ergebnis der sogenannten Sinus-Studie, welche die Krankenkasse Barmer veröffentlicht. Ein Jahr zuvor lag dieser Wert noch bei 43 Prozent. 

Auch Stalking ist Thema

Beleidigungen sind die am weitesten verbreitete Mobbingform. Dies berichten 74 Prozent der Jugendlichen aus der Studiengruppe. Danach folgen das Verbreiten von Gerüchten, der Ausschluss aus Gruppen oder das ungefragte Posten peinlicher Videos. Die Studie nennt darüber hinaus Stalking oder Identitätsdiebstahl.

Die meisten Fälle von Cybermobbing gab es im Messenger-Dienst WhatsApp. Einen Anstieg verzeichnet die Studie vor allem auf TikTok – inzwischen ist die Videoplattform mit 38 Prozent der dritthäufigste Ort für Cybermobbing im Netz. Der Anteil von Mädchen und Jungen, die bislang von Anfeindungen im Netz verschont blieben, sank von 32 auf 28 Prozent.

Erfahrungsbericht: Im Video erzählt ein Betroffener seine persönliche Geschichte vom Horror, digital gemobbt zu werden.

Ursache für den Anstieg ist laut Studie möglicherweise auch eine höhere Sensibilität unter jungen Leuten, die dadurch mehr Übergriffe als in den Jahren zuvor wahrgenommen haben. Für die Studie hat die Barmer Ende 2022 rund 2.000 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren befragen lassen.

Pandemie hat Entwicklung begünstigt

Auch eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK) belegt eine hohe Zahl von Cybermobbing-Fällen. Demnach sei fast jeder fünfte Jugendliche betroffen, insgesamt handle es sich um mehr als 1,8 Millionen Schülerinnen und Schüler. Nach Einschätzung der TK hat die Corona-Pandemie das Problem verschärft, weil Kinder und Jugendliche wegen der Kontaktbeschränkungen mehr Zeit im Netz verbracht haben.

Experten sind alarmiert: „Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat“, sagt Uwe Leest, Vorsitzender vom Bündnis gegen Cybermobbing. Die Folgen würden unterschätzt, denn Täterinnen und Täter hätten keine Konsequenzen zu befürchten.

Viele Jugendliche schweigen aus Angst

Die Folgen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben, sind weitreichend: „Ein Drittel der Jugendlichen traut sich aus Angst vor solchen Anfeindungen nicht mehr, ihre Meinung zu sagen“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Dies gehe aus der Jugendumfrage JIMplus 2022 hervor. „Cybermobbing und Hatespeech sorgen dafür, dass Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit im Netz abnehmen“, beklagt Aumann. Sich frei äußern zu können, das sei jedoch ein Grundpfeiler der Demokratie.

Nicht zu übersehen sind zudem die gesundheitlichen Folgen. Laut Einschätzung der Krankenkassen fördere Cybermobbing psychische und körperliche Erkrankungen, darunter Kopf- und Magenschmerzen, Angst- und Schlafstörungen sowie Niedergeschlagenheit oder gar Depression.

Wo es Hilfe gibt

Ein Ratschlag der Studienautoren an betroffene Jugendliche: Sie sollten sich nach Cybermobbing-Angriffen bei Lehrkräften, in Online-Beratungsstellen oder bei der Polizei Unterstützung holen. Derzeit ist dies in der Realität jedoch noch eher Ausnahme als Regel. Der Befragung der Krankenkasse zufolge haben 19 Prozent der jungen Betroffenen keinerlei Hilfe bei Cybermobbing erhalten.

Unterstützung leisten auch gemeinnützige Organisationen wie HateAid, das Bündnis gegen Cybermobbing und die Cybermobbing-Hilfe. Rund um die Uhr erreichbar ist das bundesweite Hilfsangebot krisenchat.de, das auch Erwachsenen zur Seite steht.