• Foto zum Thema "Gewalt am Arbeitsplatz": Zu sehen ist die Nahaufnahme einer geballten Faust.
    Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes – hierfür möchte die AG Sicherheit der dbb jugend das Bewusstsein in Politik und Bevölkerung schärfen. Foto: Colourbox

Gewalt am Arbeitsplatz AG Sicherheit fordert „Tatort Arbeitsplatz“ als Rubrik in der PKS

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) beleuchtet die Entwicklung der Kriminalität in Deutschland. Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bisher nur indirekt – das hat Konsequenzen.

Eine Sachbearbeiterin in einer Behörde, die beleidigt wird. Ein Lebensmittelkontrolleur, der bei der Kontrolle bedroht wird. Eine Notfallsanitäterin, die im Einsatz bespuckt wird.

„Die Liste der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die mit Gewalt konfrontiert sind, ist lang“, sagt Lars Sakal, der sich in der AG Sicherheit der dbb jugend engagiert. Er selbst arbeitet als Polizist, in seinem Fall gehören Konfrontationen mit Bürgerinnen und Bürgern zur Jobbeschreibung. „Trotzdem lassen einen die Beleidigungen und Bedrohungen nicht kalt. Vor allem nicht die, die gegen die eigene Familie gehen.“

Gewalt am Arbeitsplatz in den Fokus rücken

Wenn es zu Straftaten gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst kommt, sind diese Taten – Beleidigungen, Bedrohungen und im Extremfall Körperverletzungen – in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. Vorausgesetzt, die Betroffenen haben sie angezeigt. Allerdings geht aus der Statistik nicht hervor, in welchem Kontext sich die Taten ereignet haben.

„Darin sehen wir großes ein Problem“, unterstreicht Sakal. „Wir müssen das Dunkelfeld weiter ausleuchten, und das mit einheitlichen Standards in allen Bundesländern.“ So könne es auch gelingen, bei der Bevölkerung und in der Politik das Bewusstsein für Gewalt am Arbeitsplatz zu schärfen. Konkret setzt sich die AG Sicherheit dafür ein, die Erfassungskategorie Tatort Arbeitsplatz in der PKS einzuführen; bestenfalls mit einer expliziten Bezugnahme auf den öffentlichen Dienst.

Für viele Delikte, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, existieren bereits gesonderte Kategorien: zum Beispiel die Kategorie „Beraubung von Taxifahrern“. Und in der PKS 2024 hat das Bundeskriminalamt, das die Statistik herausgibt, einen besonderen Fokus auf Gewaltdelikte mit Messern gelegt. Sakal: „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiten für die Allgemeinheit, ohne sie würde die Gesellschaft nicht funktionieren. Allein das würde eine eigene Kategorie aus meiner Sicht schon rechtfertigen!“

Habt keine Scheu, zur Polizei zu gehen!

Lars Sakal

Hinzu kommt die zunehmende Relevanz des Themas. Teil der dbb Bürgerbefragung 2025 ist eine Sondererhebung, die sich mit der Gewalt gegen öffentlich Beschäftigte befasst. Daraus geht hervor: 30 Prozent der Befragten haben schon einmal beobachtet, wie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes behindert, belästigt, beschimpft oder angegriffen wurden. Demnach waren Einsatzkräfte von Polizei- und Rettungsdienst am häufigsten betroffen, gefolgt von Bus- und Straßenbahnfahrer*innen. Die Befragung ist repräsentativ, durchgeführt hat sie das Meinungsforschungsinstitut forsa.

Weiterhin beleuchtet die Erhebung, welche Maßnahmen sich die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wünschen: 54 Prozent wollen sich mehr Abschreckung durch härtere Strafen, 42 Prozent Deeskalationstrainings sowie ein Angebot an Selbstverteidigungskursen. 32 Prozent gaben an, dass Notfallknöpfe – etwa im Büro – das Sicherheitsgefühl erhöhen würden. 30 Prozent wünschen sich den Einsatz eines Wachschutzes.

Guter Service ist ebenfalls Prävention

„Man muss immer schauen, welche Maßnahmen in welchem Bereich sinnvoll sind, aber grundsätzlich unterstützen wir alles, womit sich die Sicherheit der Beschäftigten erhöhen lässt“, sagt Daria Abramov, Erste stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend.

Was die Politik ihrer Meinung nach zu wenig bedenkt: Fehlendes Personal, mangelhafte Ausstattung und ausufernde Bürokratie können Übergriffe befeuern. „Das ist ausdrücklich keine Rechtfertigung, aber ein Teil der Erklärung dafür, dass Konflikte entstehen. Fakt ist doch: Wer mit dem Service des Staates zufriedener ist, wird seltener ausfallend!“ – deshalb sei es dringend geboten, Fachkräftemangel, Digitalisierung und die Beseitigung von ineffizienten Strukturen ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen.

Anzeige erstatten, zur Aufklärung beitragen

Abramov arbeitet als Teamleiterin im Sozialamt Wuppertal, auch dort kommt es zu Übergriffen. „Wir fahren ganz klar eine Null-Toleranz-Strategie“, betont die Gewerkschafterin. „Beleidigungen und Übergriffe jeglicher Art bringen wir ausnahmslos zur Anzeige!“

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Wichtig ist aus Sicht der dbb jugend, dass es in sämtlichen Dienststellen, Behörden und Einrichtungen, in denen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes arbeiten, niedrigschwellige Hilfen gibt. Mancherorts gebe es bereits die Option, Vorfälle digital und auf Wunsch anonym zu melden. Betroffene können sich gegebenenfalls auch vertrauensvoll an Vorgesetzte und den Personalrat wenden.

„Denkbar wäre auch eine bundesweite Hotline für Betroffene“, sagt Lars Sakal. Er ermutigt alle, die Opfer einer Straftat geworden sind, diese auch zur Anzeige zu bringen: „Habt keine Scheu, zur Polizei zu gehen!“ Wer beleidigt wurde, habe immer einen legitimen Grund, einen Strafantrag zu stellen – und wer geschlagen oder verletzt wurde, ohnehin. „Jede Anzeige trägt dazu bei, das Dunkelfeld weiter auszuleuchten. Und wenn die PKS dann klar aufschlüsselt, welche Taten sich am Arbeitsplatz zutragen, haben wir viel gewonnen.“

Redaktion: cdi