Alarmierender FachkräftemangelBis 2030 fehlen 840.000 Mitarbeitende
Die Digitalisierung könnte für Entlastung sorgen, aber für die Umsetzung fehlt das Personal. Best-Practice-Beispiele zeigen, was zu tun ist.
Die Prognosen könnten kaum düsterer sein, alle neuen Studien zeichnen dasselbe Bild: Die Lage ist und bleibt übel. 840.000 Vollzeitkräfte werden Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey zufolge bis zum Jahr 2030 fehlen. Zu einem ähnlichen Ergebnis ist auch die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers gekommen. Demnach werden es womöglich eine Million Stellen sein, die aufgrund fehlenden Personals beim Bund, in den Ländern und in den Kommunen bis zum Jahr 2030 unbesetzt bleiben.
Schon lange mahnen die Gewerkschaften – doch erst jetzt, wo sich vor immer mehr Behörden lange Warteschlangen bis auf die Straße bilden und die Bearbeitung von Anträgen noch länger dauert, dämmert auch der Politik, dass es so nicht weitergehen kann.
Das Problem wird immer sichtbarer
Es herrscht Alarmstufe Rot. Betroffen sind davon nicht nur die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die bereits seit Jahren Mehrarbeit leisten, und das permanent. Das Problem kommt inzwischen auch bei der Bevölkerung an. „Die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung gerät ins Wanken“, mahnt Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw.
Lindern ließe sich das Problem nach Auffassung einiger Verwaltungsspezialisten durch eine konsequente Digitalisierung und Neustrukturierung von Arbeitsabläufen. Hier und da ließen sich Verfahren verschlanken und Beschäftigte entlasten, heißt es. Das Onlinezugangsgesetz soll beispielsweise ermöglichen, den Führerschein-Antrag online zu stellen. Er läge dann direkt digital vor, eine zeitsparende Weiterbearbeitung wäre möglich.
Genau an dieser Stelle lauert allerdings das nächste Problem: IT-Spezialist*innen, die das umsetzen und die Digitalisierungsoffensive wie auch die E-Akte voranbringen, sind erforderlich. Ausgerechnet bei den IT- und Digital-Berufen klafft jedoch die größte Personallücke, wie die aktuelle McKinsey-Studie ebenfalls offenlegt. Bereits heute fehlen auf allen Ebenen vom Bund bis zur Kommune rund 39.000 Fachleute. Bis zum Jahr 2030 soll sich diese Lücke fast verdreifachen: Von 140.000 fehlenden IT-Fachleuten ist die Rede.
Die Situation ist prekär und zeigt: „Die Stellen bleiben vakant, weil sie nicht attraktiv genug erscheinen. Mitunter sind sie im Vergleich zur freien Wirtschaft auch zu schlecht bezahlt“, sagt Aumann. „Wenn die Verantwortlichen den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst in Deutschland nicht entschieden angehen, wird Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit weiter abnehmen“, warnt auch Julian Kirchherr, Co-Autor der aktuellen McKinsey-Studie.
Tipps zur Neugewinnung von IT-Leuten
Um den Mangel an IT-Fachkräften zu verringern, müssten Neueinstellungen erfolgen. Die spezialisierten Studiengänge mit IT-Schwerpunkt bringen jährlich rund 26.000 Absolventinnen und Absolventen hervor, wie die Studienautoren festhalten. Das Problem: Sie entscheiden sich in der Regel nicht für den Staat als Arbeitgeber. Derzeit arbeiten gerade einmal drei Prozent von ihnen im öffentlichen Sektor. Bliebe es bei diesem Niveau, würden jährlich lediglich 800 Personen in den öffentlichen Dienst wechseln. „Das ist bereits jetzt – ausgehend von 39.000 fehlenden Fachkräften – ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Aumann.
Mit jedem, der geht, geht Kompetenz
Doch den öffentlichen Dienst plagt, wie überall, wo Fachkräfte rar sind, noch ein ganz anderes Problem: Mit jedem, der geht, geht Kompetenz. Neueinstellungen drängen also auch hinsichtlich des Faktors Wissensmanagement. Öffentlichen Behörden fehle es an strategischer Personalplanung, halten die Studienautoren fest. Es gilt, Einstellungsverfahren zu beschleunigen. Zeitgleich müssten sich Weiterbildungsangebote für Führungskräfte und Mitarbeitende stärker auf den Erwerb digitaler Kompetenzen fokussieren. Einige Behörden hätten beispielsweise ergänzend zu den klassischen Karrierepfaden spezielle Fachkarrieren ermöglicht. Andere Verwaltungseinheiten arbeiten mit ressortübergreifenden Innovationsteams, um über Kompetenzbündelung IT-Talente anzuziehen.
„In die richtige Richtung sind beispielsweise auch die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung gegangen, indem dort der neue Studiengang Verwaltungsinformatik eingerichtet wurde“, sagt Aumann. Von solchen Best-Practice-Modellen könnten laut Einschätzung der Studienautoren auch andere Behörden profitieren.
„Innovative Angebote nutzen, Behörden untereinander verzahnen, Wissen über Best-Practice-Beispiele austauschen und davon lernen, das sind Möglichkeiten, die wir stärker nutzen sollten“, betont Aumann. Diese Strategie bewähre sich derzeit auch in Hinblick auf Sicherheitsmaßnahmen, die öffentlich Bedienstete besser vor Übergriffen schützen können. Darüber hinaus müsse der öffentliche Dienst aus der „Muffelecke“ raus, die Verantwortlichen müssten stark in die Attraktivitätssteigerung investieren, betont die Landeschefin der dbb jugend nrw. „Wenn wir nicht ganz schnell aus den veralteten Strukturen herausfinden und sie ablegen, war’s das mit dem Nachwuchs.“