Jobkompass: Die AutobahnpolizistinWenn die Tachonadel auf 200 springt
Egal, ob für Pendler, Brummifahrer oder Familien, die in den Urlaub fahren: Svenja sorgt auf der Autobahn für die Sicherheit. Manchmal muss es schnell gehen.
Irgendwo auf der Straße, linke Spur: Plötzlich bleibt das Auto liegen, eine junge Mutter hinter dem Steuer, auf der Rückbank zwei kleine Kinder. Einfach aussteigen? Kommt nicht infrage, zu gefährlich. Warnblinker an, Polizei rufen, mehr geht nicht. Als die Streife kommt, ist die Mutter in Panik, die Kinder weinen. Svenja und ihr Kollege sperren die Autobahn, bringen die Drei hinter die sichere Leitplanke und schieben das kaputte Fahrzeug auf den Seitenstreifen. Aufatmen.
Svenja Swoboda ist Autobahnpolizistin in Nordrhein-Westfalen, ihr Dienstort: die Wache in Recklinghausen, die trotz der Nähe zu Gelsenkirchen noch zum Polizeipräsidium Münster gehört. Die 26-Jährige nimmt Verkehrsunfälle auf, kontrolliert, ob LKW-Fahrer ihre Ladung ordnungsgemäß sichern, und zieht Raser aus dem Verkehr. Und ja, es kommt auch zu Verfolgungsfahrten.
Weniger spektakulär, dafür aber zentral für die Verkehrssicherheit: Leitern, Schaufeln und Reifenteile von der Fahrbahn räumen, mitunter auch Fahrräder und Styroporkisten. „Es ist wirklich unglaublich, was auf der Autobahn liegt“, sagt die Polizeikommissarin. „Ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern, was ich schon weggeräumt habe.“
Ungeplante Versetzung
Eigentlich wollte Svenja gar nicht auf die Autobahn. Nach dem Abitur startet sie direkt ins duale Studium an der Hochschule der Polizei, das sie 2019 erfolgreich abschließt. Darauf folgt die sogenannte Erstverwendung. „Man kann Wünsche angeben, ich wollte nach Münster. Aber ich hatte damals nicht auf dem Schirm, dass die Autobahnpolizei zu dem Einzugsgebiet gehört.“
Und die ist es dann geworden. Für die nächsten vier Jahre. Toll, denkt sich die junge Beamtin, die lieber in die Stadt will und sich – abgesehen von der wenig charmanten Umschreibung „Geradeaus-Polizei“ – nichts unter der Autobahnpolizei vorstellen kann. Ihr Vater hingegen ist begeistert. „Ein bisschen Alarm für Cobra 11 ist doch nicht übel“, sagt er. Schließlich folgt der erste Tag. Svenja lässt sich auf ihre neue Dienststelle ein und merkt, dass ihr der Job liegt und Spaß macht. „Jetzt sind die vier Jahre schon eine Weile um und ich bin immer noch hier“, sagt die Polizeikommissarin und lacht. „Und ich habe aktuell keine Pläne, wieder zu gehen.“
Wer neu ist, absolviert Fahrtrainings. Diese finden auf Verkehrsübungsplätzen und sogar auf Rennstrecken statt. „Das ist sinnvoll, vor allem, wenn man privat einen Kleinwagen fährt“, unterstreicht Svenja. „Denn bei uns bekommt man unter anderem den Kleinbus mit 240 PS und Allrad-Antrieb hingestellt“ – und dann heißt es: „Mach mal!“ Auch bei schlechten Wetterbedingungen müssen die Beamtinnen und Beamten sicher und zügig zu den Einsätzen kommen. „Wir dürfen es nicht übertreiben, aber eben auch nicht mit 60 über die Autobahn juckeln.“
Und manchmal muss die Polizei richtig Gas geben. Zum Beispiel, wenn sich ein Autofahrer einer Kontrolle entzieht. Dann erfolgt umgehend Meldung an die Leitstelle, der Adrenalinpegel schießt nach oben, nichts wie hinterher. Es kommt vor, dass die Tachonadel mehr als 200 Kilometer pro Stunde zeigt. Meist ist der Hubschrauber zur Unterstützung schnell in der Luft, in Polizeikreisen auch „Hummel“ genannt.
Was bei „Alarm für Cobra 11“ nicht gezeigt wird: Eine Verfolgungsfahrt unterliegt klaren Regeln. Geschwindigkeit, Verkehrslage, Position und vor allem das Fahrverhalten des Flüchtigen – all diese Informationen muss die Streifenwagenbesatzung der Leitstelle in kurzen Zeitintervallen mitteilen. Wird es zu gefährlich, ordnen die Verantwortlichen den Abbruch an. Das kann mitunter frustrierend sein.
„Aber es stellt sich natürlich immer die Frage der Verhältnismäßigkeit“, erklärt Svenja. „Wenn jemand flieht, wissen wir ja meistens gar nicht, was der Grund ist.“ Klar, es könne sich natürlich um den Straftäter mit dem offenen Haftbefehl handeln, der keinen Führerschein und Drogen im Kofferraum hat. Aber eben auch um den 18-Jährigen, der nervös geworden ist, weil er ein Bier getrunken hat und denkt, er sei zu betrunken. Immerhin: Oft gelingt es, die Flüchtigen im Nachhinein über das Kennzeichen zu ermitteln.
Mehr entdecken: FAQ – Basics rund um Beamtenverhältnis, Besoldung und Laufbahn
Wie Verfolgungsfahrten enden, wenn nicht gerade ein Abbruch erfolgt? Leider viel zu oft mit einem Unfall, berichtet die Polizistin. „Es ist aber auch schon vorgekommen, dass jemand nach 40 Minuten angehalten ist und einfach keine Lust mehr hatte.“ Ebenfalls ein Szenario: der leere Tank.
Wenn die Swifties zum Konzert wollen
Anekdoten aus dem Dienst, davon hat Svenja reichlich parat. Da gibt es den Lamborghini, dem bei mehr als 300 Sachen der Reifen geplatzt ist, das Fahrzeug vollkommen zerstört. Doch der Fahrer bricht sich nur den kleinen Finger. Zu verdanken ist der glimpfliche Ausgang der speziell gesicherten Fahrerkabine, über die auch Formel-1-Rennwagen verfügen.
Und neulich hat sich ein LKW quergestellt – ausgerechnet an dem Tag, als in Gelsenkirchen ein Konzert von US-Popstar Taylor Swift anstand. „Manche Swifties sind ausgestiegen und waren auf dem Seitenstreifen unterwegs, das war erst ziemlich chaotisch. Wir haben ihnen versichert, dass wir alles dafür tun, damit sie es pünktlich zum Konzert schaffen.“ Daraufhin seien sie etwas beruhigter und dankbar wieder eingestiegen.
„Boa, eigentlich mag ich die Polizei nicht, aber ihr seid richtig cool!“
Aussage einer zwielichtigen Person auf der Autobahn
Die Dankbarkeit, das ist es, was Svenja besonders an ihrem Dienstort schätzt. In der Stadt seien viele Kolleginnen und Kollegen Anfeindungen ausgesetzt, dort bleibe die Dankbarkeit eher auf der Strecke. Doch auf der Autobahn wird oft selbst der übelste Schläger demütig. Ohne Hilfe kommt auch er nicht vom Seitenstreifen weg, wenn sein Auto liegengeblieben ist. Dort zu stehen, wenn LKW vorbeipreschen, ist nicht sonderlich angenehm. Dann heißt es schon mal: „Boa, eigentlich mag ich die Polizei nicht, aber ihr seid richtig cool!“
Das findet im Übrigen auch die junge Mutter, die Svenja und ihr Kollege aus der misslichen Lage auf dem linken Fahrstreifen befreit haben. Sie hat ein Dankschreiben an die Wache geschickt.
Text: Christoph Dierking
FAQ: Wie werde ich Autobahnpolizistin?
Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?
Die Voraussetzungen können sich abhängig vom Bundesland unterscheiden. Manchmal reicht ein Mittlerer Schulabschluss, manchmal ist das Abitur beziehungsweise Fachabitur erforderlich.
Nordrhein-Westfalen etwa hat den mittleren Polizeidienst abgeschafft. Entsprechend ist das Fachabitur ein Muss – wer dieses noch nicht in der Tasche hat, kann es bei der Fachoberschule Polizei nachholen und in dieser Zeit bereits erste Praktika bei der Polizei absolvieren.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Die Ausbildung für den mittleren Dienst dauert in der Regel 2,5 Jahre, das duale Studium, zum Beispiel in NRW, für den gehobenen Dienst drei.
Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?
Ausbildung und Studium gliedern sich in Theorie-, Training- und Praxiseinheiten. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Einsatztheorie, Kriminalistik sowie Verkehrs- und Strafrecht. Das Praxistraining umfasst unter anderem Festnahmetechniken sowie den Umgang mit der Dienstwaffe.
Wo findet die Ausbildung statt?
Die Länder verfügen ebenfalls über eigene Polizeiakademien beziehungsweise Hochschulen, exemplarisch für Nordrhein-Westfalen die Hochschule der Polizei und öffentlichen Verwaltung.
Anwärter*innen bei einer Landespolizei absolvieren Praktika in den Dienststellen, Anwärter*innen der Bundespolizei bei Dienststellen in Bahnhöfen, auf Flughäfen und im Grenzgebiet.
Standorte für die Ausbildung bei der Bundespolizei sind Bamberg (Bayern), Diez (Rheinland-Pfalz), Eschwege (Hessen), Oerlenbach (Bayern), Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern), Swisttal (Nordrhein-Westfalen) und Walsrode (Niedersachsen).
Was verdiene ich?
Absolvent*innen im mittleren Dienst steigen mit einer A7-Besoldung ein, Absolvent*innen im gehobenen Dienst mit einer A9-Besoldung.
Die aktuellen Besoldungstabellen veröffentlicht der dbb beamtenbund und tarifunion.
Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?
Die Einsatz- und Karrieremöglichkeiten bei der Polizei sind vielfältig: Diensthundeführer, Reiterstaffel, Verkehrspolizei, Kriminaldauerdienst, Spezialeinheiten, Hubschrauberpilot – dies sind nur einige Beispiele von vielen.
Wer die Karriereleiter emporklettern möchte, kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Polizei-, zum Ober- und Hauptkommissar beziehungsweise Hauptkomissarin befördert werden. Darüber stehen noch die leitenden Hauptkommissar*innen. Eine weitere Option ist der Aufstieg in den höheren Dienst der Polizei. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, bereits in jungen Jahren Führungsfunktionen zu übernehmen.
Bei der Autobahnpolizei – und auch anderswo – besteht die Option, sich in Seminaren zu spezialisieren: beispielsweise auf LKW-Kontrollen, Tuning oder Drogen.
Wo finde ich weitere Informationen?
Weitere Informationen zur Ausbildung gibt’s jeweils bei der Landespolizei der Bundesländer, hier exemplarisch für Bayern, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auch die Bundespolizei hat ein eigenes Karriereportal.
Informationen bietet auch das Buch Eignungsauswahlverfahren Polizei, das die Deutsche Polizeigewerkschaft aufgelegt hat und im STARK-Verlag erschienen ist.
Fragen beantwortet die JUNGE POLIZEI per Mail an kontakt@jungepolizei.de